Schon als Kind hat sich die Outfittery-Gründerin gerne ausprobiert und sah nie irgendwo eine Grenze. Mit ihrem Start-up hat sie noch viel vor.
Julia Bösch
Die Outfittery-Gründerin kann sich nicht vorstellen, nochmal als Angestellte zu arbeiten.
Bild: Gregor Hohenberg für Handelsblatt
Berlin Wenn Julia Bösch Outfittery nicht gegründet hätte, dann wäre sie wahrscheinlich bei einem Venture-Capital-Fonds gelandet. Die 34-Jährige hat sogar mal ein Praktikum auf der „anderen Seite des Tisches“ gemacht, wie sie es nennt.
Sie fand es spannend, die vielen Gründer und ihre vielfältigen Geschäftsideen kennenzulernen. Aber: „Nach jedem Pitch dachte ich: Nehmt mich mit, ich will bei euch mitmachen!“ Daher, so glaubt sie, wäre sie kein guter Risikokapitalgeber. Zumindest nicht aktuell.
Bösch wurde 1984 in Konstanz geboren. Schon als Kind probierte sie sich gerne aus und sah nie irgendwo eine Grenze. Zum Leidwesen ihrer Mutter. Ihre Familie stammt aus Österreich und auch sie besitzt einen Pass des benachbarten Alpenstaates. Sie sei eine „fröhliche Ösi-Natur“, sagt sie.
Ebenfalls früh entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Radeln. Mit ihrer Schwester fuhr sie in den Ferien gern um den Bodensee. „Als wir klein waren, brauchten wir drei Tage. Später nur noch einen halben Tag.“ Wo Bösch ist, da ist auch heute noch ihr Rennrad nicht weit.
Nach dem Abitur studierte sie Betriebswirtschaft in München und New York. Unternehmerisches Denken lernte sie aber nicht im Hörsaal, sondern im Center for Digital Technology & Management (CDTM). In dem parallel zur Uni laufenden Programm kommen jedes Semester 20 Studenten aus allen möglichen Fachrichtungen zusammen und beraten als Team ein Start-up, zum Beispiel beim Bau des Prototyps oder bei der Expansion.
Die fünf Jahre BWL-Studium hätten ihr nicht annähernd so viel gebracht, wie mit anderen ein eigenes Produkt zu entwickeln. „Solche praktischen Programme brauchen wir viel mehr in Deutschland“, ist Bösch überzeugt.
2009 schließlich trat sie ihren ersten Job beim Online-Modehändler Zalando an und leitete die Internationalisierung des rasant wachsenden Berliner Start-ups. Sie wollte sich an- und abschauen, wie man ein Unternehmen groß macht und führt. Gut zwei Jahre später war sie selbst bereit zu „springen“ und gründete im Januar 2012 gemeinsam mit ihrer Zalando-Kollegin und Freundin Anna Alex in der Bundeshauptstadt Outfittery.
Die Chefin von Outfittery spricht im Interview über ihren Vorteil in der männerdominierten Start-up-Welt und ihr vom Bodensee stammendes Grundvertrauen.
Die Idee hatte Bösch nur wenige Monate zuvor während eines Besuchs mit einem Freund in New York. Er hatte keine Lust zum Einkaufen und engagierte sich für 100 Dollar pro Stunde einen Personal Shopper, der ihm die Klamottenbox abends ins Hotel brachte. Gemeinsam mit Anna überlegte sie, ob sie online etwas Ähnliches machen könnten. Aber kostenlos, damit es sich jeder leisten kann.
Ein halbes Jahr finanzierten sie Outfittery und sich aus eigener Kraft. Länger wäre es auch nicht gegangen, erzählt Bösch, schließlich hatten sie ja beide gerade erst ihr eigenes Geld verdient.
Dann kamen die ersten Investoren ins Unternehmen – und einen aus Böschs Familie packte die Panik. „Mein Onkel hat das Geld sozusagen als Bankdarlehen verstanden und sich direkt einen Schnaps bestellt, als er die Summe gehört hat“, erinnert sie sich und lacht. „Julia“, habe er gesagt, „wenn du das an die Wand fährst, dann kann ich nichts für dich tun. Dann wanderst du in den Knast.“
Heute zählt Outfittery nach eigenen Angaben fast 600.000 Kunden in acht Ländern und ist bei 78 Prozent der deutschen Männer als Marke bekannt. Laut Bundesanzeiger bearbeitete das Start-up (rund 300 Mitarbeiter) 2016 knapp 290.000 Bestellungen und erzielte einen Nettoumsatz nach Retouren, Rabatten und Wareneinsatz von 22,7 Millionen Euro – ein Plus von 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Verlust lag bei 14,6 Millionen Euro (2015: 17,1 Millionen).
Regelmäßig kommt die Frage auf, ob und wann es Outfittery für Frauen geben wird – und sie wird auch im Team immer wieder kontrovers diskutiert. Bösch sieht allerdings noch so viel Potenzial bei den Milliarden Männern dieser Welt und will sich nicht verzetteln. „Fokus ist das allerhöchste Gut“, sagt sie. Außerdem seien Frauen beim Thema Mode komplizierter als Männer. Ausschließen will sie die Option aber nicht.
Die Ziele für Outfittery sind groß. Sich selbst nennt Bösch dagegen „recht bescheiden“. Bis zuletzt hat sie in dem WG-Zimmer gelebt, das sie bezogen hat, als sie vor fast zehn Jahren nach Berlin kam. Dort würde sie auch immer noch wohnen, wenn der Vermieter nicht Eigenbedarf geltend gemacht hätte. Luxus ist für sie das Reisen, und zwar ohne auf das Geld schauen zu müssen. 2017 zum Beispiel ging es nach Kolumbien.
Wieder als Angestellte zu arbeiten, das kann sich Julia Bösch nicht vorstellen. Für sie gibt es kein Weg zurück. „Das wäre auch für meine potenziellen Chefs und Kollegen nicht gut“, glaubt sie.
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