Menschen, die gesund feiern: In deutschen Großstädten liegen Detox-Partys im Trend. Aus Medizinersicht gibt es an dem Konzept einiges zu kritisieren.
Reismilch
Gesunde Getränke sollen den Körper von Giften befreien. Doch der Detox-Trend ist aus medizinischer Sicht fraglich.
Bild: IMAGO
Nach dem Winter, so sagt uns eine innere Stimme, sollten wir mal wieder stärker auf Fitness und Figur achten. Immerhin steht in nicht so ferner Zukunft ein Badeurlaub auf dem Programm.
Schon das katholische Fasten vor Ostern war ein Ritual, das die Winterzeit beenden sollte. Nach dem vergangenen Corona-Winter bricht sich dieses Bedürfnis momentan auch bei vielen Führungskräften verstärkt Bahn.
Grundsätzlich ist aus medizinischer Sicht dieser Drang nicht falsch. Vor einem aktuellen Trend möchte ich indes warnen: In vielen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln gibt es derzeit sogenannte „Detox-Partys“ oder auch „Detox-Nights“, auf denen es weder Alkohol noch Cola zu trinken gibt. Und auch keine anderen zuckerhaltigen Getränke.
Aufgetischt werden Smoothies, Obst und Gemüse, Reismilchsaft und Kokoswasser. Wie oft bei Zeitgeistigem kommt diese Mode aus den USA. In Skandinavien sind alkoholfreie Clubabende ebenfalls in Mode.
Gesunde Ernährung, sportliches Tanzen, kein Alkohol ersetzt winterliche „Toffifee-Rückfälle“. Die ambulanten Detox-light-Events sind günstige Alternativen zu Ayurveda-Kuren in Indien oder Sri Lanka.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Solche gesunden Zusammenkünfte sind selbstverständlich zu begrüßen. Mich als Mediziner stört nur der konzeptionelle Überbau der Detoxifikation. Ich habe mich schon einmal in dieser Kolumne kritisch mit dem Mythos der Entgiftung auseinandergesetzt und möchte dies gerne wieder tun, weil ich beobachte, dass einige Missverständnisse eher noch zunehmen.
Die Annahme der Detox-Gläubigen lautet: Schädliche Substanzen sollen über die Leber und über die Niere ausgeschieden werden. In anderen Worten, der Körper soll von Giften befreit werden, quasi ein Frühjahrsputz für den Körper.
Postuliert wird eine sogenannte Entschlackung gesundheitlich problematischer Ansammlungen von Stoffwechselprodukten. Als Ursachen werden aufgeführt: ungesunde Ernährung mit vielen Zusatzstoffen, zu viel Fett und zu viel Zucker, Nikotin, Alkohol, Stress und Umweltgifte.
Dass all diese Dinge uns nicht guttun, ist unbestritten. Doch die Vermutung, dass wir diese Stoffe mit ein paar Detox-Partys, kurzen Kuren und teuren Nahrungsergänzungsmitteln über eine Entgiftung aus dem Körper bekommen, ist wissenschaftlich niemals bewiesen worden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung stellt fest: „In einem gesunden menschlichen Körper gibt es keine Ansammlung von Schlacken und Ablagerung von Stoffwechselprodukten. Nicht verwertbare Stoffe werden über Leber, Nieren, Darm und Haut ausgeschieden.“
Der Begriff Detox ist gesetzlich nicht definiert. Eine von der Europäischen Kommission zugelassene gesundheitsbezogene Aussage zum Begriff „Detox“ liegt nicht vor und damit ist eine Verwendung dieses Begriffes streng genommen in medizinischem Zusammenhang unzulässig.
Oft werden bei der Werbung synonyme Begriffe wie „minus-tox“, „freetox“, „antitox“, „d-tox“ verwendet. Weitere schön klingende Versprechungen wie Regeneration, Ausleitung von Toxinen, Verbesserung des Stoffwechsels und der Hautqualität, Beruhigung des vegetativen Nervensystems und so weiter sind nichts weiter als plumpes Marketing.
Vor Beginn einer Detox-Kur wird häufig eine Darmentleerung mit Bittersalz empfohlen, das am Morgen auf nüchternen Magen mit einem Viertelliter Wasser eingenommen wird.
Das kann auch schädlich sein, zumal viele für eine Detox-Kur empfohlene Produkte entwässernd wirken und zu einer erhöhten Ausscheidung von Mineralstoffen führen können.
Dann gehen Natrium, Kalium, Magnesium und Kalzium, und es kann zu einer Störung des Elektrolyt-Haushalts kommen.
Detox-Produkte können zudem unter Umständen gefährliche Nebenwirkungen haben, wenn sie in Wechselwirkung mit gleichzeitig eingenommenen Medikamenten treten. Auf Dauer kann eine strenge Detox-Diät zu einem Nährstoffmangel führen.
Verbraucherzentralen warnen in diesem Zusammenhang davor, dass Detox-Kuren in Bezug auf versprochene Wirkungen und ihre Zusammensetzung nicht ausreichend untersucht sind. Sogenannte Entgiftungspflaster für die Füße sind gänzlicher Humbug.
Stattdessen sind nach dem Beginn einer Detox-Kur Kopfschmerzen, verstärkte Müdigkeit, starker Durst, Schweißausbrüche und Magen-Darm-Probleme mögliche Nebenwirkungen.
Und noch ein Hinweis: Unter dem Label „Detox“ werden häufig Produkte gepriesen, die durchaus wirksam sein können: Aloe Vera, Anis, Fenchel, Chlorella, Flohsamen, Heilerde, grüner Tee, Kalzium, Kürbiskerne, Kurkuma, Magnesium, Mate, Pfefferminze sowie weitere Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente können selbstverständlich eine Verbesserung der Gesundheit bewirken, wenn man diese langfristig in seinen Speiseplan einbaut.
Dies alles geht aber auch, ohne dem Werbeversprechen der Entgiftung zu verfallen. Sollte eine Detox-Party für Sie dennoch der Auftakt einer konsequenten Ernährungsumstellung sein, gibt es natürlich keinen Einwand, an einem solchen Event teilzunehmen.
Curt Diehm, Jahrgang 1949, ist ärztlicher Direktor der auf Führungskräfte spezialisierten Max-Grundig-Klinik in der Nähe von Baden-Baden. Der Internist lehrt zudem als außerplanmäßiger Professor an der Universität Heidelberg. Er ist Autor von über 200 wissenschaftlichen Originalpublikationen und vielen Sachbüchern.
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