30.12.2021
15:15
Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson erschließen den Weltraum. Für den Körper ist die Schwerelosigkeit eine Herausforderung – mit einem Vorteil.
TV-Moderator Michael Strahan vor Ausflug ins All
Mitte Dezember haben sechs Personen einen Kurz-Ausflug in den Weltraum unternommen. Ermöglicht hat dies Jeff Bezos' Unternehmen Blue Origin.
Bild: dpa
Die Weltraummedizin steckt noch in den Kinderschuhen. Doch seitdem Tech-Größen wie Jeff Bezos und Elon Musk oder auch der britische Unternehmer Richard Branson erfolgreich bemannte Shuttles ins All schießen, stellt sich durchaus die Frage, wie der menschliche Körper solche Ausflüge verkraftet.
Noch handelt es sich um Kurztrips, oft nur von wenigen Minuten im eigentlichen Orbit. Dennoch zeichnet sich langsam ab, dass Weltraumtourismus durchaus zu einem Geschäftsmodell reifen könnte. Zunächst wäre das für die betuchte Oberschicht, eines Tages aber vielleicht auch für Leute, die sich einmal etwas Besonderes gönnen wollen.
Wer weiß, ob wir uns nicht in einigen Jahren zu Weihnachten mit einer zweiwöchigen Reise im Luxus-Shuttle rund um die Erde beschenken.
Vorweg: Es ist kein Zufall, dass Astronauten für Weltraummissionen sorgsam ausgewählt und monatelang trainiert werden. Wir sind nicht gemacht für ein Leben in der Schwerelosigkeit. Eine aktuelle Studie, die Forschende der LMU München gemeinsam mit der schwedischen Universität Göteborg und russischen Wissenschaftlern erstellt haben, bestätigen diese grundsätzliche These.
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Ein Aufenthalt im Weltall ist für den Körper schlichtweg eine maximale Herausforderung.
Um unser gewohntes Leben führen zu können, brauchen wir die Erdanziehung. Nur so können wir physiologisch funktionieren. Nur mit der Erdanziehung verteilen sich beispielsweise unsere Körperflüssigkeiten wie biologisch gewünscht.
Wir wissen von Astronauten, dass Körper und Gesicht oft angeschwollen und aufgedunsen („Puffy Face“) wirken. Im All kommt es also zu einer Umverteilung der Flüssigkeit aus den Beinen in den Oberkörper, dem sogenannten „Fluid Shift“. Die Beine werden im All so schlank wie nie zuvor.
Die erste medizinische Problematik, mit der Menschen im All konfrontiert werden, ist die Weltraumkrankheit. Anfänglich kommt es zu einer Phase mit starker Übelkeit und Erbrechen während der ersten Tage in Schwerelosigkeit.
Beim Start und bei der Landung treten extreme Kreislaufbelastungen auf. Beschleunigung und Abbremsung sind so stark, dass man mit dem Sieben- bis Achtfachen des eignen Körpergewichts in den Sitz gedrückt wird.
Aber auch der Alltag außerhalb der Erde ist nicht ohne. Muskeln und Knochen erleiden sehr schnell eine Inaktivitätsatrophie: Sie bauen sich in kürzester Zeit ab. Knochen und Muskeln müssen ja kein Körpergewicht mehr tragen.
Mit der richtigen Ernährung und einem Trainingsprogramm kann man dieses Risiko allerdings verringern. In der Raumstation ISS trainieren die Astronauten bis zu zweieinhalb Stunden pro Tag auf dem Laufband und einem Art Power Plate.
Übrigens werden Astronauten in der Schwerelosigkeit um bis zu fünf Zentimeter größer. Das hängt mit der Ausdehnung der Bandscheiben zusammen. Das kann dann zu chronischen Rückenschmerzen führen.
Die Körperkerntemperatur steigt im All um bis zu zwei Grad und liegt durchschnittlich bei 38 Grad. Wer diese Temperatur auf der Erde hat, fühlt sich grundsätzlich zunächst einmal krank.
Hinzu kommt eine außerordentliche Strahlenbelastung. Im All sind Menschen einer rund 300-mal höheren Dosis ausgesetzt als auf der Erde. Dadurch steigt das Krebsrisiko erheblich an und auch die Gefahr, dass sich das Erbgut verändert, ist erhöht.
Die Strahlenbelastung liegt in einer Größenordnung von einer Röntgenaufnahme der Lunge pro Tag. Der Strahlenschutz müsste also für längere touristische Ausflüge ins All deutlich verbessert werden. Die Ausstattung von Raumschiffen mit speziellen Schutzhüllen wäre ein Weg, wenngleich ein aufwendiges Unterfangen.
Die körperlichen Belastungen und Gefahren sind damit aber noch längst nicht beseitigt.
All das hinterlässt aus medizinischer Sicht bezüglich des Themas künftiger Weltraumtourismus einen faden Beigeschmack. Einen positiven Effekt gibt es allerdings: Menschen im Weltall schnarchen weniger als auf der Erde.
Es ist nämlich die Schwerkraft, die die Zunge und den weichen Gaumen in den Rachenraum hinabrutschen lässt. Auch die Qualität des Schlafes ist im Weltraum vermutlich besser. Ob das Argument ausreicht, sich einmal so richtig auszuschlafen, um schon mal für eine Weltraumreise zu sparen, mag dahingestellt sein.
Mehr: Warum ein langes Leben kein gesundes Leben sein muss
Curt Diehm, Jahrgang 1949, ist ärztlicher Direktor der auf Führungskräfte spezialisierten Max-Grundig-Klinik in der Nähe von Baden-Baden. Der Internist lehrt zudem als außerplanmäßiger Professor an der Universität Heidelberg. Er ist Autor von über 200 wissenschaftlichen Originalpublikationen und vielen Sachbüchern.
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