Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

26.01.2023

11:00

Gastkommentar – Global Challenges

Was wird aus dem Euro?

PremiumEs steht schlecht um die Zukunft der Gemeinschaftswährung, wenn die EZB keine Unterstützung durch die Fiskalpolitik erhält, analysiert Volker Wieland.

Volker Wieland ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Währungs- und Finanzstabilität an der Goethe-Universität in Frankfurt. dpa, imago

Der Autor

Volker Wieland ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Währungs- und Finanzstabilität an der Goethe-Universität in Frankfurt.

Seit Januar 2021 hat der Euro gut 15 Prozent seiner Kaufkraft verloren. Bis Silvester 2023 dürfte der Verlust auf mehr als ein Fünftel seines Wertes steigen. Die Deutschen erwarten in den kommenden fünf Jahren eine Inflation von jeweils fünf Prozent, ermittelte die Bundesbank. Viele sorgen sich um die Zukunft der gemeinsamen Währung. Zu Recht? Gegenüber dem US-Dollar stürzte der Euro 2022 jedenfalls geradezu ab – im September erreichte der Kurs seinen Tiefpunkt, ein Dollar kostete 1,04 Euro. Die internationale Presse spekulierte schon über den „Kollaps“ des Euros.

Seither konnte die Gemeinschaftswährung einen Teil der Verluste wieder wettmachen, derzeit kostet der Dollar „nur“ noch rund 92 Cent. Das sind allerdings immer noch gut zehn Cent mehr als vor zwei Jahren. Das relative Erstarken des Euros dürfte nicht zuletzt auf die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen sein. Bevor die EZB verspätet die Zinswende eingeleitet hat, war die wachsende Zinsdifferenz gegenüber den USA ein treibender Faktor für die Abwertung des Euros. Inzwischen hat die Zentralbank den Zinsabstand verringert – und EZB-Präsidentin Christine Lagarde signalisiert weitere deutliche Zinsanhebungen.

Darüber hinaus sind die Inflationserwartungen der Finanzmärkte deutlich optimistischer als die der Privatpersonen. Ist es also Zeit, Entwarnung zu geben? Kann man den Bürgerinnen und Bürgern versprechen, dass die Stabilität des Euros für die Zukunft gesichert ist, weil sich der Außenwert der Gemeinschaftswährung erholt hat und die EZB die Zinsen weiter erhöhen wird?

Der politische Druck auf die EZB wächst

Leider nein: Zum einen hat der Dollar so wie viele andere Währungen massiv an Kaufkraft verloren, ein stabiler Wechselkurs würde also nur einen vergleichbaren Kaufkraftverfall des Euros bedeuten. Zum anderen reicht es nicht aus, dass die EZB ihren Auftrag erfüllen will, die Preisstabilität zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die Fiskalpolitik dafür sorgen, dass die Staatsfinanzen auch bei deutlich höheren Zinsen langfristig tragfähig bleiben. Hier sind aber entschiedene Zweifel angebracht.

In der Euro-Zone wird die Fiskalpolitik, anders als etwa in den USA, vor allem auf der Ebene der souveränen Mitgliedstaaten gemacht. Jede der 20 Regierungen muss sicherstellen, dass die Staatsschulden künftig über höhere Steuereinnahmen oder ein geringeres Wachstum der Ausgaben finanziert werden können. Garant hierfür sollen vor allem die Maastricht-Kriterien sein, nach denen die staatliche Gesamtverschuldung in der Regel maximal 60 und die jährliche Neuverschuldung höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen dürfen.

Global Challenges – Idee und regelmäßige Autoren

Global Challenges – die Idee

Global Challenges ist eine Marke der DvH Medien. Das Institut möchte die Diskussion geopolitischer Themen durch Veröffentlichungen anerkannter Experten vorantreiben.

Prof. Dr. Ann-Christin Achleitner

Co-Direktorin des Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) an der TU-München und zudem Mitglied in zwei Konzern-Aufsichtsräten

Sigmar Gabriel

Ehemaliger Außen-, Wirtschafts- und Umweltminister und Vorsitzender der Atlantik-Brücke e.V.

Prof. Dr. Veronika Grimm

Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie, an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Sachverständigenrats

Werner Hoyer

Werner Hoyer ist Präsident der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg.

Günther Oettinger

Ehemaliger Ministerpräsident von Baden-Württemberg und ehemaliger EU-Kommissar für Haushalt, Digitale Gesellschaft, Wirtschaft, Energie; Präsident von United Europe e.V.

Prof. Jörg Rocholl, PhD

Präsident der internationalen Wirtschaftshochschule ESMT Berlin und stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen

Prof. Dr. Bert Rürup

Ehemaliger Vorsitzender des Sachverständigenrates und Chefökonom des Handelsblatts in Düsseldorf

Prof. Dr. Renate Schubert

Hochschullehrerin für Nationalökonomie an der ETH Zürich und am Singapore ETH-Centre

Jürgen Trittin

Der Grünen-Politiker ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und ehemaliger Bundesumweltminister.

Redaktion

Dr. Michael Brackmann, Bonn

Würden die Euro-Länder auf die Einhaltung dieser Grenzen hinarbeiten, hätte die EZB tatsächlich freie Bahn, alles Notwendige zu tun, um die Inflation auf zwei Prozent pro Jahr zu drücken. Doch das ist nicht der Fall. Schon im vergangenen Herbst stemmten sich etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni gegen zu weitgehende Zinserhöhungen der EZB. Während so der politische Druck auf die EZB wächst, sind die Maastricht-Kriterien krisenbedingt seit 2020 ausgesetzt.

Die Reform der Fiskalregeln

Bis 2024 sollen die Fiskalregeln grundlegend reformiert werden. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil die bisherigen Regeln übermäßige Defizite und steigende Schuldenquoten nicht verhindert haben, was vor allem am erheblichen Ermessensspielraum der Europäischen Kommission liegt. Statt Regelverstöße strikt zu sanktionieren, hat sie die Regeln sehr weit zugunsten der Staaten ausgelegt. Eine Reform müsste vor allem für eine bessere Einhaltung der Regeln und eine effektivere Begrenzung der Staatsverschuldung sorgen.

Tatsächlich aber droht das Gegenteil. Maßgebliche Politiker wie Macron drängen auf eine weitere Lockerung der Maastricht-Kriterien, um mehr Spielraum für ihre Ausgabenpolitik zu bekommen. Die Europäische Kommission hat im November einen Vorschlag vorgelegt, die Staatengemeinschaft muss nun zeitnah einen Konsens finden. Der Vorschlag sieht mit der Kommission auszuhandelnde, länderspezifische Fiskal- und Strukturpläne als Grundstein des neuen Regelwerks vor. So will sie den Mitgliedstaaten mehr Spielraum für ihren fiskalischen Anpassungspfad geben und verspricht, Abweichungen davon strikter zu begrenzen.

Im Lichte der bisherigen Erfahrungen ist absehbar, dass der neue Verhandlungsansatz noch weniger Erfolg haben wird, hochverschuldete Mitgliedstaaten auf Sparkurs zu bringen. Deshalb muss die Bundesregierung sich dringend robust in die Verhandlungen einschalten. Es geht darum, die Stabilität des Euros und der Währungsunion zu sichern, und zwar ohne hohe Transfers zulasten der niedrig verschuldeten Staaten. Erforderlich dafür ist eine stärkere Bindungswirkung einfacher und transparenter Regeln – mit weniger statt mehr Einfluss der Europäischen Kommission.

Der Autor: Volker Wieland ist Geschäftsführender Direktor des Institute for Monetary and Financial Stability an der Goethe-Universität Frankfurt.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×