PremiumVom Produktinnovator zur Produktionsmaschine: Der US-Autobauer erlebt einen gnadenlosen Wachstumsstress – und könnte das gleiche Schicksal wie GM erleiden, meint Ferdinand Dudenhöffer.
Der Autor
Ferdinand Dudenhöffer ist Gründer und Direktor des Duisburger „CAR – Center Automotive Research“.
Bild: Tesla, privat
Wucherndes Wachstum kennen wir aus Biologie und Medizin. Etwa beim Babirusa, einem Hirscheber, der durch das Wachstum seiner Hauer lebensbedrohend gefährdet ist. Die Hauer können im Bogen bis zum Kopf wachsen und ins Gehirn eindringen, was den Tod auslöst.
Um einen Rasen „unkrautfrei“ zu halten, kann man Herbizide, sprich Wuchsstoffmittel einsetzen, die beim „Unkraut“ extremes Wachstum auslösen. Das Unkraut wächst sich zu Tode. Hyperwachstum kann tödlich enden.
Das gilt auch für Wirtschaftsbereiche. Beispiel Autoindustrie: Kein Autobauer hat über neun Jahre ein so dynamisches Wachstum wie Tesla gezeigt. Von 2013 bis 2022 ist Teslas Autoabsatz von 22.242 auf 1,31 Millionen geschossen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 58 Prozent.
Dieses Jahr sollen es 1,8 Millionen Tesla-Fahrzeuge werden. Um die Produktion „unterzubringen“, hat Tesla radikal die Preise gekürzt. Model 3 und Y wurden in China um mehr als 5000 US-Dollar oder 14 Prozent billiger. In Deutschland wurde Model 3 um 5000 Euro abgewertet und kostet jetzt mit 44.000 Euro so viel wie der VW ID3. Der Listenpreis für Model Y wurde um 9100 Euro gekürzt.
Zusätzlich gab es in Deutschland steigende Tesla-Vermieterzulassungen. Bei einer ganzen Reihe von Leasinggesellschaften und Autoabo-Anbietern tauchen die Autos mit aufsehenerregenden Raten auf. Tesla verkauft über den Preis.
Mit dem Preissturz kommen die Wettbewerber unter Druck. So hat der chinesische Elektroautobauer XPeng die Preise bei allen Modellen gesenkt. Der Verdacht des Dumpings steht im Raum. Mal sehen, wie lange die Beteuerung von VW-Chef Oliver Blume gilt, dass sich VW nicht an der Preisschlacht beteiligt.
Zusätzlich wächst bei Tesla-Besitzern der Frust, denn der Preissturz der neuen Teslas mindert auch den Wert der Fahrzeuge der Tesla-Besitzer. Schleichende Entwertung der Restwerte bringt neue Risiken in die Bilanzen von Leasinggesellschaften.
Leasinggesellschaften werden vorsichtig und kaufen den nächsten Tesla entweder mit noch höheren Rabatten oder „verkaufen“ die Autos zu vorab verhandelten Preisen an den Autobauer zurück. Dann hat dieser die Verluste aus Leasingrückläufern zu verbuchen.
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Eine Zeitbombe fängt an zu ticken. Die Rabatte von heute sorgen für zusätzliche Verluste morgen. Das Tückische daran ist, dass Außenstehende die Verluste erst in ein paar Jahren sehen. Eine Teufelsspirale wird losgetreten.
Mit 16,8 Prozent Gewinnmarge im Jahr 2022 kann sich Tesla den Preiskampf leisten, auch wenn zuletzt die Gewinnmarge durch den Preiskampf leicht nachgegeben hat. Nahezu alle Hersteller schreiben bei batterieelektrischen Autos Verluste oder „hauchdünne“ Gewinne.
Natürlich nagt der Preiskampf an Teslas Gewinnmarge, aber das Unternehmen hat mit fast 17 Prozent Marge Spielraum. In Europa wächst der Elektroautomarkt mit dem Ukrainekrieg langsamer, aber die Tesla-Produktion ist auf Vollgas getrimmt. Also muss Tesla im jungen Elektroautomarkt in Europa Marktanteile machen.
Tesla-Gründer Elon Musk will um das Jahr 2030 rund 20 Millionen Autos verkaufen. Das Unternehmen steckt in einem gnadenlosen Wachstumsstress. Immer größere Fabriken, immer weniger Produktionsschritte, um Kosten zu senken, riesige Alugussmaschinen, um noch bessere Scales zu schaffen: Tesla entwickelt sich vom Produktinnovator zur Produktionsmaschine.
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Beim zukunftsträchtigen autonomen Fahren etwa hat Tesla seinen Vorsprung verloren. Der Tesla-Autopilot ist zum Problempiloten geschrumpft. Das Smart Cockpit beherrschen Chinesen wie BYD, Nio oder der Elektroriese Huawei, der sein Betriebssystem Harmony OS jetzt auch in der eigenen Automarke Aito verbaut.
Das Chinageschäft wird härter. China hat das größte Potenzial und Wachstum bei Elektroautos. Aber in China sind auch billige Elektroautos wichtig, die für Tesla tabu sind. Also muss Tesla im Premiummarkt noch schneller wachsen, um seine Ziele zu erreichen.
Dabei wurde Tesla von den Chinesen auch in der Kernkompetenz, dem Elektroantrieb, zum Teil überholt. BYD mit dem Spitzenmodell „Han“, Nio mit dem neuen ET7 und die Geely-Oberklassemarke Zeekr sind in Softwarefunktionen, Qualität und Batterieperformance den heutigen Tesla-Modellen überlegen.
BYD wächst in großen Schritten. Mit 1,86 Millionen verkauften vollelektrischen Autos und Plug-in-Hybriden hat BYD Tesla überholt. BYD können Marktanteile nur durch Dumping abgenommen werden.
Tesla stemmt sein Hyperwachstum mit nur zwei Modellen, Model 3 und Model Y. Die beiden sind Karosserievarianten statt eigenständige, unterschiedliche Modelle. Teslas große, Model S und Model X, sind zu Nischenautos verkümmert. Die Innovatorfunktion ist verloren gegangen.
Bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts gab es weltweit nur einen Autobauer, der seine Größenvorteile ausspielen konnte: General Motors (GM). Produktionsgetrieben wurden immer mehr Marken von GM gelauncht, um die Produktion unterzubringen. Immer mehr gleiche Autos mit immer höheren Discounts war Absatzstrategie. Fast 101 Jahre nach der Firmengründung meldete GM im Juni 2009 Insolvenz an.
Hyperwachstum hat Risiken. Tesla muss aufpassen. Noch schreibt Elon Musk Bilderbuchgewinne, aber Dumping und Incentives rauben ökonomische Kraft.
Der Autor: Ferdinand Dudenhöffer ist Gründer und Direktor des Duisburger „CAR – Center Automotive Research“.
Erstpublikation am 30.01.23, um 21:13 Uhr.
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