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08.02.2023

04:00

Gastkommentar

Mit diesem Zehn-Punkte-Programm wird Europa grüner und wettbewerbsfähiger

PremiumDas deutsche Geschäftsmodell steht auf dem Spiel. Die EU muss zügig auf das amerikanische Subventionsprogramm IRA reagieren, fordern Joachim Lang und Matthias Machnig.

Joachim Lang (rechts) ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratung Strategic Minds Company und ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Matthias Machnig war Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. obs

Die Autoren

Joachim Lang (rechts) ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratung Strategic Minds Company und ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Matthias Machnig war Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Die Zeitenwende ist nicht nur eine geopolitische, sondern auch eine ökonomische Zeitenwende. Der Standort Europa und Deutschland stehen vor enormen Herausforderungen. Es muss ein ökonomischer Weg zwischen dem amerikanischen Investitions- und Innovationsmodell und der etatistisch-dirigistischen chinesischen Wirtschaftsweise gefunden werden.

Das von den USA auf den Weg gebrachte Subventionsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) ist der Versuch, geoökonomische Unabhängigkeit zu erhöhen, nachhaltige klimaschonende Investitionen zu stärken und dadurch eine Re-Industrialisierung der amerikanischen Wirtschaft zu befördern.

Europa und Deutschland brauchen eine umfassende, konsistente und zügig implementierbare Antwort darauf. Um die Energiewende zum Erfolg zu führen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Industrie zu sichern, ist ein Maßnahmenbündel erforderlich, das noch in diesem Jahr beschlossen und umgesetzt wird.

Dabei muss es um einen Dreiklang von wettbewerbsfähigen Energiepreisen, Stärkung von Investitionen in die Transformation des Energiesektors und der Industrie sowie um eine generelle Verbesserung der Rahmenbedingungen für Transformationsprojekte gehen.

Statt technologischem Mikromanagement muss die Stärkung des Standorts und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen mit der Förderung einer effektiven CO2-Minderung und Digitalisierung einhergehen.

Die EU braucht einen Souveränitätsfonds

Ein solches integriertes Standort- und Souveränitätsprogramm sollte folgende Elemente beinhalten:
1. Einrichtung eines europäischen Souveränitätsfonds in Höhe von jährlich einem Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung bis zum Jahr 2030. Der Fonds sollte wettbewerbsfähige Energiepreise und Transformationsinvestitionen (etwa Ausbau der erneuerbaren Energien, Energienetze, Batteriezelltechnologie) stärken und unterstützen.

Der Fonds muss auch einen Beitrag leisten, übergangsweise wettbewerbsfähige Wasserstoff-/Strom- und Gaspreise (wie einen Industriestrompreis oder einen Industriegaspreis) zu erreichen, um die Investitionssicherheit für Unternehmen zu erhöhen.

2. Die Instrumente der Europäischen Investitionsbank für Transformationsinvestitionen müssen gestärkt werden, etwa über die Ausweitung der Gewährleistung von Garantien oder stille Eigenkapitalbeteiligungen. Gleichzeitig: Aufbau einer europäischen Wasserstoffbank, die internationale und europäische Wasserstofferzeugungs- und -infrastrukturprojekte unterstützt.

>>Lesen Sie hier: EU-Kommissionsspitze warnt vor Subventionswettlauf mit USA
3. Weitere Flexibilisierung der europäischen Beihilferegelungen, insbesondere für die Energietransformation, die energieintensive Industrie in Europa und für Zukunftsinvestitionen in Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung.

4. Die europäischen Regelungen müssen so angepasst werden, dass es keine Hürden für die Nutzung von erneuerbaren Energien zur Wasserstoffproduktion und für den zügigen Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur gibt. Das sind wesentliche Voraussetzungen für einen effektiven und schnellen Hochlauf des europäischen Wasserstoffmarkts.

5. Verhandlungen über ein europäisch-amerikanisches Industriehandelsabkommen, das die europäische Wirtschaft den Ländern Kanada und Mexiko gleichstellt und Grundsätze des WTO-Rechts umsetzt. Zugleich sind Maßnahmen für einen effektiven Schutz davor, dass CO2-intensive Unternehmen ins Ausland abwandern (Carbon Leakage) für die energieintensive europäische Industrie zum Beispiel im Rahmen eines Klimaklubs erforderlich.

Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen nach dem Vorbild der LNG-Terminalverfahren beschleunigt werden

6. Einführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Superabschreibungen für Transformationsinvestitionen bis zu 100 Prozent bis spätestens 1.1.2024, um attraktive Investitionsrahmenbedingungen zu schaffen.

7. Etablierung eines Programms mit Carbon Contracts for Difference, bei dem der Staat den Unternehmen, die mit klimafreundlichen Technologien produzieren, die Differenz zwischen dem Marktpreis für Emissionszertifikate und den CO2-Vermeidungskosten zahlt. Das Programm sollte insbesondere für die energieintensive Industrie gelten, um die Wettbewerbsfähigkeit von Transformationsinvestitionen und -produkten zu sichern.

8. Der Staat sollte als Garantiegeber für Industriekonsortien aus Herstellern, Projektbetreibern und Stromabnehmern auftreten, bei denen die Abnahme und Finanzierung europäischer Erneuerbaren-Projekte und die Lieferung von günstigem grünem Strom vertraglich vereinbart wird.

9. Das Angebot für die Energieversorgung muss ausgeweitet und differenziert werden. Das hat preisdämpfende Wirkungen. Gleichzeitig müssen im Jahr 2023 die rechtlichen Rahmenbedingungen für neue Investitionen in gesicherte Leistung im Strommarkt geschaffen werden.

10. Gesetzliche Maßnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die sich an den Erfahrungen und Instrumenten der LNG-Terminalverfahren orientieren.

Das deutsche Geschäftsmodell steht zur Disposition. Es ist nötig, eine wirtschaftspolitische Antwort zu formulieren und umzusetzen. Die Zeit drängt.


Die Autoren:

Joachim Lang ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratung Strategic Minds Company und ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Matthias Machnig war Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.


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