PremiumIn der erregten öffentlichen Debatte über höhere CO2-Preise dominieren statt Fakten zahlreiche Irrtümer, kritisiert Ottmar Edenhofer.
Der Autor
Ottmar Edenhofer ist Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und Professor für die Ökonomie des Klimawandels an der TU Berlin.
Bild: Imago, M
Der CO2-Preis zur Umsetzung von Deutschlands neuen Klimazielen sorgt für hitzige Diskussionen. Wird er am Ende zwischen den Parteien zerrieben? Wenn es dumm läuft, streitet die SPD mit Blick auf ihre miserablen Umfragewerte nur noch für mehr Gerechtigkeit, aber nicht für einen höheren Aufschlag auf Sprit und Heizkosten. Und die CDU redet nur noch von Wettbewerbsfähigkeit, aber nicht mehr darüber, wie die Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren durch die Klimakrise gefährdet ist.
Die FDP streitet für den Emissionshandel, ein Preisanstieg allerdings scheint ihr nicht geheuer. Und die Grünen finden keine klare Linie, lavieren zwischen Klimaschutz über den CO2-Preis und über regulatorische Vorgaben. Wir erleben zurzeit eine Debatte der falschen Alternativen, mit irreführenden Zuspitzungen und bedrohlichem Ausgang. Lassen wir stattdessen die Fakten auf uns wirken.
Immer wieder wird behauptet, im Verkehrs- und im Gebäudesektor gehe es vor allem um Technologiestandards. Klar, die Autos sind effizienter geworden, aber zugleich auch schwerer, außerdem waren die Menschen mehr mit dem Auto unterwegs. Im Ergebnis sind die Emissionen nicht gesunken. Im Übrigen fahren Geringverdiener zwar eher kleinere und sparsamere Autos, aber relativ zum Einkommen sind Emissionsgrenzwerte für sie teurer als für Vielverdiener.
Natürlich werden wir auch künftig Emissionsstandards benötigen. Und auch mit Blick auf den Gebäudesektor mögen gezielte Förderprogramme sinnvoll sein, beispielsweise wenn es darum geht, Ölheizungen zu ersetzen. Aber das Leitinstrument muss künftig der CO2-Preis werden. Nur so können die Emissionen wirklich deutlich sinken. Nur so entstehen Einnahmen, um höhere Kosten wieder an einkommensschwache Haushalte zurückzugeben.
Der CO2-Preis bringt auf Märkten eine Knappheit zum Ausdruck, die müssen Verbraucher, Unternehmen, Investoren und Banken bei ihren Entscheidungen in Rechnung stellen. Kein Verbot, kein Standard und kein Förderprogramm ist so treffsicher wie dieses Knappheitssignal.
Der Einwand, Märkte könnten keinen sozialen Ausgleich schaffen, ist wenig überzeugend – auch wenn die steile These vertreten wird, ein hoher CO2-Preis vertiefe die soziale Spaltung. Durch eine flankierende Entlastung der Bürgerinnen und Bürger lässt sich das vermeiden.
Für eine solche Entlastung gibt es bessere und schlechtere Methoden. Um die guten von den schlechten Methoden zu unterscheiden, muss man wissen, wie die Einkommen im Land verteilt sind und wie viel die Haushalte in den verschiedenen Einkommensgruppen für Strom, Wärme, Benzin und Diesel ausgeben. Das lässt sich durch empirische Forschung ermitteln.
Die Empirie aber hat in der öffentlichen Debatte einen schweren Stand gegenüber der anekdotischen Evidenz – schließlich kennen viele Parlamentarier in ihren Wahlkreisen Ölheizungsbesitzer, Pendler und Menschen, die in schlecht gedämmten Häusern leben. Leider zieht der farbige Einzelfall in Talkshows besser als statistische Durschnittwerte. Da aber Politik gerade nicht den Einzelfall regeln soll, sondern der Gesamtheit der Wähler verpflichtet ist, lohnt sich ein Blick auf die Empirie.
Das haben wir in einer neuen Analyse des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC getan – die Daten widerlegen vier zentrale Irrtümer:
Wenn Deutschland seine ambitionierten Klimaziele erreichen und seinen Verpflichtungen im Rahmen des europäischen „Green Deals“ nachkommen will, muss dies zu steigenden CO2-Preisen führen. Die Politik sollte den Wählern deutlich sagen, dass ambitionierter Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist – und dass die teuerste Variante ist, gar keinen Klimaschutz zu betreiben.
Die Wirtschaft kann durch geringere Strompreise entlastet werden, die Verbraucher durch die Klimadividende. Technologiestandards, Förderprogramme und Subventionen können diese Transformation unterstützen. Wahlkämpfe mögen hart und pointiert geführt werden. Wenn das hilft, Alternativen klar werden zu lassen, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber falsche Zuspitzungen und irreführende Alternativen helfen niemandem: der Demokratie nicht, den Parteien letztlich auch nicht und dem Klimaschutz schon gar nicht.
Die Wähler haben bessere Argumente verdient als jene, die in den letzten Wochen zum CO2-Preis zu hören waren.
Der Autor: Ottmar Edenhofer ist Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin, Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und Professor für die Ökonomie des Klimawandels an der TU Berlin.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)