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17.12.2022

11:00

Prüfers Kolumne

Die Problem-Post und warum Anti-Briefporto ein Geschäftsmodell sein kann

Von: Tillmann Prüfer

Die Post ist überlastet, nicht nur zu Weihnachten. Doch wer schreibt überhaupt noch die ganzen Briefe? Ich sicher nicht. Dafür fluten Rechnungen und Bescheide den Postkasten. Zeit, das zu ändern.

Handelsblatt: Prüfers Kolumne

Der Autor

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Ich habe gehört, dass sich die Beschwerden über die Post häufen. Von 17.000 Beschwerden allein im Oktober und November berichtet der Berliner „Tagesspiegel“. Von manchen Regionen wird behauptet, es seien im Sommer wochenlang keine Briefe gebracht worden. Selbst in Randbezirken der Hauptstadt klagt man über zu seltene Zustellung.

Dazu muss man sagen: Voraussetzung, um einen Brief ausliefern zu können, ist, dass einer geschrieben worden ist. Wenn man nun das Gefühl hat, wochenlang keine Post mehr bekommen zu haben, kann dies auch daran liegen, dass einem niemand geschrieben hat. Das mag traurig sein. Aber manchmal eben auch wahr.

Ich habe schon seit Ewigkeiten keinen Brief mehr geschrieben, also einen mit Tinte und Füller. Das liegt daran, dass ich meist keinen Füller zur Hand habe, und wenn ich doch mal einen zur Hand habe, habe ich keine Tinte.

In den seltenen Fällen, in denen ich sowohl Füller als auch Tinte habe und dann auch noch Papier, Umschlag sowie eine Briefmarke ... dann schreibe ich immer noch keinen Brief.

Das ist in den meisten Fällen nicht schlimm, denn ich kann ja eine SMS, eine E-Mail oder eine WhatsApp-Nachricht schicken. Ich kann auch per Signal, Twitter, Instagram oder Telegram eine Botschaft versenden. Es ist erschöpfend genug, diese ganzen Nachrichtendienste mit Sagbarem zu bedienen, sodass ganz selten etwas für das Papier übrig bleibt.

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Natürlich gibt es in meiner Vorstellung diesen Menschen, der ich sein könnte, der an seinem Schreibtisch sitzt und Zeilen auf schweres Papier fließen lässt, diese anschließend in einen Umschlag steckt und zur Post bringt. Aber dieses imaginäre Ich ist von mir genauso weit entfernt wie der Typ, der gemütlich in seinem Sessel sitzt und über Stunden ein gutes Buch liest. Der Sessel ist da, das Buch ist da – nur ich fehle.

In den meisten Fällen hänge ich über meinem Laptop, hacke mit den Fingern in die Tastatur oder starre in mein Smartphone. Ich schreibe so wenige Briefe, dass ich schon gar keine Vorstellung mehr habe, wie meine Handschrift aussehen würde. Ich fürchte, nicht gut. Wenn man also einmal einen Brief von mir bekäme, könnte man ihn wahrscheinlich nicht entziffern.

Wenn ich mal Post bekomme, ist das meistens keine angenehme. Etwas, das heute noch gern mit der Post verschickt wird, sind Rechnungen. Und wenn keine Rechnung kommt, dann kommt eine Mahnung. Und wenn keine Mahnung kommt, dann kommt ein Inkasso-Bescheid.

An den Briefkasten zu gehen, macht also in den meisten Fällen überhaupt keine gute Laune. Ich würde mich eigentlich sehr freuen, in einem Bezirk in Deutschland zu wohnen, wo wochenlang keine Post kommt. Ich glaube, für so eine konsequente Nichtzustellung würde ich sogar zahlen. Über so einen Service sollte die Post mal nachdenken. Könnte ein Geschäftsmodell sein.

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