Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

25.02.2023

11:00

Prüfers Kolumne

„KIen“ wird das neue Googeln

Von: Tillmann Prüfer

Viele wollen auf einmal wissen, was ChatGPT über sie zu sagen hat. Die Dichtungen der Künstlichen Intelligenz sind der Realität oft überlegen.

Handelsblatt: Prüfers Kolumne

Der Autor

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.

Als Google erfunden wurde, entstand schnell ein neues Hobby: den eigenen Namen googeln. Es war gewissermaßen der Ausweis der eigenen Bedeutung für die Welt, dass man auf der Suchmaschine zu finden war. Mittlerweile ist es eigentlich ein Zeichen, dass man nicht existiert, wenn man nicht auf Google zu finden ist. Zumindest bedeutet es, dass man nichts hinbekommen hat, nach dem ein Algorithmus im Internet suchen könnte.

Gleichzeitig war Selbstgoogeln ein Zeichen für Eitelkeit. Denn man wusste doch über sich selbst Bescheid. Was sollte es da Neues zu erfahren geben? Man wollte ja nur wissen, was andere über einen finden könnten, wenn sie denn suchen wollten.

Irgendwann war das Spannende nicht mehr, was die Suchmaschine ausspuckte, sondern welche Vorschläge sie in der Eingabezeile machte. Das zeigte an, für was sich Menschen wirklich in Zusammenhang mit der eigenen Person interessierten. Stand dort etwa „... Ehemann“, konnte man sich vorstellen, dass Leute wissen wollten, ob man noch zu haben sei. War da „....Todesanzeige“ zu lesen, war das weniger ermutigend.

Nun wird die Suchmaschine Google langsam abmoderiert. Die Zukunft gehört angeblich Anwendungen wie ChatGPT, einer Künstlichen Intelligenz (KI), die nicht mehr Website-Funde ausgibt, sondern Fragen mit kleinen Essays beantwortet.

Es gibt leider noch kein Verb dafür, etwas auf ChatGPT abzufragen. Vielleicht wird man statt googeln bald „KIen“ sagen, wer weiß. Sicherlich wird es bald ein genauso großes Hobby werden, nach sich selbst auf ChatGPT zu suchen. Ich habe mal den Anfang gemacht.

Der erste Satz, den ChatGPT zu meinem Namen ausspuckte, war richtig, nämlich mein Beruf und mein Arbeitgeber. Allerdings dichtete mir das Programm ein Studium in Kunstgeschichte und Literatur in Berlin und Paris an (schmeichelhaft) und machte mich sieben Jahre älter als ich tatsächlich bin (nicht schmeichelhaft).

Die KI bietet Visionen statt Fakten

ChatGPT will wissen, dass ich in namhaften Magazinen publiziert habe, und dann weiß das Programm noch, dass ich zwei Bücher geschrieben habe: „Wohnen auf Wolke sieben“ und „Weltverbesserungsmaßnahmen“. Selbstredend habe ich weder ein Wohn-Buch noch eines über die Weltrettung verfasst.

Wie kommt die Künstliche Intelligenz darauf? Ich habe nachgeschaut: Es gibt überhaupt keinen Buchtitel „Wohnen auf Wolke sieben“ und auch kein Werk namens „Weltverbesserungsmaßnahmen“. Die Software hat das frei über mich erfunden.

Lesen Sie hier weitere Kolumnen von Tillmann Prüfer:

Vielleicht stellt eine Künstliche Intelligenz einfach nur vor, was ich mal machen könnte, was rechnerisch wahrscheinlich ist. Vielleicht hat sie ermittelt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich ein Buch namens „Weltverbesserungsmaßnahmen“ publiziere, so groß ist, dass man es ohne Probleme einfach mal behaupten kann. Vielleicht hat sie eine Vision von mir.

Ich finde, die Künstliche Intelligenz hat mich ziemlich gut erkannt. Jedenfalls besser als die Realität. Meiner Meinung nach ist KIen dem Googeln in jedem Fall überlegen.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×