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15.02.2022

12:29

Gastkommentar – Homo oeconomicus

Deutschland muss den hohen Leistungsbilanzüberschuss endlich abbauen

Von: Philipp Heimberger

Nicht nur für China gilt, dass der hohe Überschuss im Außenhandel eine Folge der schwachen Binnenwirtschaft ist, stellt Philipp Heimberger fest. Und das ist ein Problem.

Nicht nur China verzeichnete jüngst einen Exportüberschuss. dpa

Hamburger Hafen

Nicht nur China verzeichnete jüngst einen Exportüberschuss.

Chinas Exportüberschuss ist auf einen neuen Rekordwert angestiegen, berichtete das Handelsblatt Mitte Januar – und kommentierte, das das keine Erfolgsmeldung sei. Es handle sich um ein Problem der Binnenwirtschaft: Ein rückläufiger Konsum und geringere staatliche Investitionen schwächten die Inlandsnachfrage. Dies führe wiederum zu geringeren Importen und trage zu einem Anstieg des Überschusses der Exporte bei.

Die Analyse ist korrekt: Die chinesische Wirtschaftspolitik muss darauf achten, das eigene Wachstumsmodell nachhaltig an einer gestärkten Binnennachfrage auszurichten. Das ist nicht zuletzt zur Wahrung des sozialen Friedens wichtig: Breite Teile der Bevölkerung sollten vom Wachstum profitieren.

Allerdings hat China seinen Leistungsbilanzüberschuss bereits von zehn Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2007 auf zwei Prozent im Jahr 2020 reduziert. In Deutschland blieb der Leistungsbilanzüberschuss anders als in China exzessiv.

Es wäre wünschenswert, dass das in den deutschen Medien ebenfalls kritisch beleuchtet würde. Denn der deutsche Leistungsbilanzüberschuss, der selbst im Pandemiejahr 2020 sieben Prozent der Wirtschaftsleistung betrug, ist ein Problem – nicht nur für andere Länder, sondern auch für den Großteil der deutschen Bevölkerung.

Außerhalb Deutschlands ist der hohe deutsche Überschuss eine Gefahr für die makroökonomische Stabilität. Denn dafür müssen andere Länder große Defizite machen, die über Auslandsverschuldung finanziert werden. Das erhöht deren Anfälligkeit für Finanzkrisen.

Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).

Der Autor

Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).

Innerhalb Deutschlands verweisen hohe Leistungsbilanzüberschüsse auf ein ungleichgewichtiges Wachstumsmodell, von dem nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitiert. Der deutsche Überschuss stieg nach dem Euro-Beitritt vor allem wegen der zunehmenden Einkommensungleichheit, wie auch der IWF zeigt.

Geringes Lohnwachstum und der Fokus auf die „schwarze Null“ in der Fiskalpolitik trugen in der jüngeren Vergangenheit maßgeblich zu einer schwachen Binnennachfrage und geringen Importen bei. Der Lösungsansatz: ein Mix aus stärkerem Lohnwachstum und einer Fiskalpolitik, die durch öffentliche Investitionen die Binnennachfrage anregt.

Dies würde zu höheren Importe führen. Dadurch könnten wiederum die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse sinken, ohne dass die Exporte reduziert werden müssen.

Das würde jedoch erfordern, dass Deutschland anfängt, endlich vor der eigenen wirtschaftspolitischen Haustür zu kehren. Maßnahmen zur Reduktion der ökonomischen Ungleichheit würden das deutsche Wachstumsmodell nachhaltiger machen, großen Teilen der Bevölkerung helfen und den Beitrag Deutschlands zu internationalen Handelsungleichgewichten reduzieren.

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