Ohne durchsichtige und strukturierte Auswahlprozesse können die Unternehmen ihre Investoren nicht mehr von ihren Kandidaten überzeugen, warnt Philine Erfurt Sandhu.
Geschäftsleute
Intransparente Nominierungen der Aufsichtsratskandidaten und -kandidatinnen sind vielen großen Investoren ein Dorn im Auge geworden.
Bild: mauritius images / Maskot
Die Hauptversammlungssaison 2023 hat begonnen. Damit stehen auch wieder die Wahlen von Aufsichtsratsmitgliedern an. Nach einer Erhebung der Personalberatung Russell Reynolds müssen in diesem Jahr allein in den Aufsichtsräten der 40 Dax-Unternehmen 91 Mandate besetzt werden.
Institutionelle Investoren wie Blackrock, Vanguard oder Allianz Global Investors, die an vielen deutschen Unternehmen Anteile halten, schrauben ihre Anforderungen an die Besetzungsprozesse hoch.
Intransparente Nominierungen der Aufsichtsratskandidaten und -kandidatinnen sind vielen großen Investoren ein Dorn im Auge geworden. „In deutschen Aufsichtsräten wird noch zu oft nach dem Prinzip ‚Vertrauen vor Kompetenz‘ ausgewählt“, monierte jüngst der Fondsmanager der Dekabank, Ingo Speich, auf einer Investoren-Veranstaltung in Berlin. Damit sprach Speich die vielerorts immer noch undurchsichtigen Nominierungsprozesse an, bei denen Kandidatinnen und Kandidaten aus vertrauten Netzwerken geholt werden.
Auch die hartnäckige Homogenität in deutschen Aufsichtsgremien – überwiegend männlich, deutsch und mit ähnlichen beruflichen Hintergründen – spricht nicht für eine Bestenauslese. Denn statistisch gesehen ist es unmöglich, dass nur Personen dieser homogenen Gruppe Topperformer und gute Kontrolleure sind. Solch ein Auswahlmuster schmälert unnötig den Kandidatenpool.
Im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) wurden deshalb die Empfehlungen an die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Jahr 2022 ausgeweitet. Neben der Sicherung der Unabhängigkeit der Mitglieder sollen Aufsichtsräte nun ein Kompetenzprofil für das gesamte Gremium erarbeiten und dabei auf ausreichend Diversität achten. Mit den zur Wahl stehenden Kandidaten und Kandidatinnen soll dieses Profil ausgefüllt werden.
Einigen Investoren reicht dies jedoch noch nicht aus. Sie wollen mehr Einblicke in die Nominierungsprozesse erhalten. Da ihnen pro Sitz nur ein Kandidat vorgeschlagen wird, können sie nur für oder gegen diese Person stimmen.
Die Autorin
Philine Erfurt Sandhu ist Dozentin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.
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Eine Auswahl zwischen mehreren Personen haben sie nicht. Investoren wollen daher sichergehen, dass der Suchprozess professionell stattfindet: Erfolgt die Suche auf Basis eines Anforderungsprofils, welches auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens abgestimmt ist? Werden diverse Kandidatinnen, vor allem Frauen, aktiv angesprochen? Kann eine kontinuierliche Nachfolgeplanung vorgewiesen werden? Sind die Ausschüsse, die mit Personalfragen betraut sind, selbst divers besetzt?
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Das Interesse der Investoren an transparenten und strukturierten Auswahlprozessen für Aufsichtsratsmitglieder ist verständlich. Die Wahlen sind ihr größter Hebel, um gute Unternehmensführung zu sichern. Wenn Unternehmen also die Kritik ihrer Aktionäre vermeiden wollen, sind sie gut beraten, ihre Besetzungsprozesse für den Aufsichtsrat weiter zu professionalisieren.
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