Die Lohnsteigerungen sind weit niedriger als die Inflation. Warnungen vor inflationstreibenden Gehaltserhöhungen sind kontraproduktiv, meint Philipp Heimberger.
Jüngst warnte der deutsche Finanzminister vor einer Lohn-Preis-Spirale, die zu einer Dauerinflation führen könne. Christian Lindner (FDP) forderte die Gewerkschaften daher zu zurückhaltenden Lohnforderungen auf.
Der Staat müsse darüber hinaus nun mehr sparen. Mit der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Aussetzung der Fiskalregeln im Jahr 2023 zeigte sich Lindner unzufrieden. Die Regierungen Europas müssten ihre Haushalte konsolidieren, um die Inflation zu bekämpfen.
Diese Sicht ist problematisch. Der Inflationsschub ist primär durch Energiepreissteigerungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine getrieben. Dazu kommen Lieferkettenprobleme, die zusätzlichen Preisdruck erzeugen.
Das Lohnwachstum dagegen war in Deutschland zuletzt verhalten, im Jahr 2021 betrug es gerade einmal 1,3 Prozent. Im ersten Quartal 2022 legten die Tarifverdienste mit vier Prozent zwar kräftiger zu. Dies war jedoch in erster Linie auf hohe Sonderzahlungen und Corona-Prämien zurückzuführen und blieb hinter der Inflationsrate zurück.
Das um Sonderzahlungen bereinigte Wachstum der Tarifgehälter von 1,1 Prozent im ersten Quartal verweist auf gedämpften Lohndruck trotz der im Europavergleich guten deutschen Arbeitsmarktlage. Auch im Jahr 2023 ist nach aktuellem Wissensstand nicht von einem Lohnwachstum von mehr als drei Prozent auszugehen.
Der Autor
Philipp Heimberger ist Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).
Ein Lohnwachstum von drei Prozent wäre bei einem Produktivitätswachstum von einem Prozent vereinbar mit dem Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank, nämlich einer Inflation von zwei Prozent. Selbst wenn die nominalen Lohnabschlüsse – auch vor dem Hintergrund des steigenden Mindestlohns – weiterhin etwas höher liegen dürften als in der Vergangenheit, müssen die Arbeitnehmer bei den aktuellen Inflationsraten erhebliche Kaufkraftverluste hinnehmen.
Doch statt für weitere fiskalpolitische Pakete in Deutschland und Europa zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Härten der gestiegenen Inflation zu argumentieren, wirbt der Finanzminister dafür, europaweit in den staatlichen Sparmodus umzuschalten. Letztlich würde das weniger fiskalpolitische Kompensation der höheren Inflation für betroffene Haushalte bedeuten.
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Die Prioritäten darauf zu setzen, Ausgaben und Staatsschulden abzubauen, würde die Probleme bei Energiepreisen und Lieferketten jedoch nicht lösen. Zudem sollten die Erfahrungen der Euro-Krise zeigen, dass es kontraproduktiv ist, in einer Rezession auf Sparen zu schalten.
Austeritätspolitik würde den Abschwung verschärfen, der wegen des Ukrainekriegs bereits in Fahrt ist. Das würde der Regierung zusätzliche finanzielle und politische Probleme bescheren. Warnungen vor einer andauernden Inflation wegen einer angeblich drohenden „Lohn-Preis-Spirale“ sind im aktuellen Umfeld ein wirtschaftspolitisches Eigentor.
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