Bereits vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine war die Weltkonjunktur fragil. Krieg und Sanktionen führen nun zu einem Schock, analysiert Daniel Stelter.
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Droht eine ähnliche Entwicklung der Weltwirtschaft wie nach dem 11. September 2001?
Bild: Getty Images
Vordergründig spielt Russland keine wichtige Rolle in der globalen Ökonomie: kleiner als die Wirtschaft Italiens, technologisch rückständig und abhängig von Importen aus dem Westen. Dennoch hat der Krieg um die Ukraine das Potenzial, die Weltwirtschaft aus dem Tritt zu bringen, denn die Lage war schon vor dem russischen Angriff fragil.
Nur mit massiven staatlichen Ausgabenprogrammen und einer Liquiditätsflutung durch die Notenbanken war es gelungen, die Folgen der Coronapandemie zu überwinden.
Anhaltende Angebotsstörungen und die schon seit Jahren zu geringen Investitionen in die Erschließung neuer fossiler Energiequellen führten zu Inflationsdruck und der Erwartung steigender Zinsen. Die lange gegebenen Probleme – hohe Verschuldung, Blasenbildung an den Finanzmärkten, geringe Produktivitätsfortschritte, einsetzender demografischer Wandel – ließen das Szenario einer Stagflation realistisch erscheinen.
Krieg und Sanktionen führen nun zu einem Schock. Die Rohstoffpreise, vor allem Öl und Gas, steigen deutlich. Zwar dürfte das internationale Ölkartell Opec auf Druck des Westens die Ölförderung ausweiten, aber das ist nur beschränkt möglich und dauert.
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Bei Gas ist die Lage aufgrund der begrenzten Verladekapazitäten für LNG schwieriger. Höhere Energiepreise treiben zunächst die Inflation, begünstigen aber eine mögliche Rezession, weil die Kaufkraft sinkt und die Unternehmensmargen schrumpfen. Damit endet der Zinserhöhungszyklus, bevor er begonnen hat. Die Staaten werden noch mehr Schulden machen.
Im Ergebnis führt uns das tiefer in die Sackgasse aus zu hohen Schulden und (nach einem temporären Schock) überhöhten Vermögenspreisen. Legte die Reaktion der US-Notenbank Fed nach den Anschlägen vom 11. September den Grundstein für die amerikanische Immobilienblase und damit für die Finanzkrise, droht der Überfall auf die Ukraine, die Situation weltweit auf ein neues Niveau zu treiben – mit allen Risiken für das Finanzsystem.
Es ist eine Ironie, dass Russland in den vergangenen Jahren vergleichsweise solide gewirtschaftet hat. Es hat eine Staatsverschuldung von 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das ist der sechstniedrigste Stand weltweit.
Der Autor
Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums beyond the obvious, Unternehmensberater und Autor. Jeden Sonntag geht auf www.think-bto.com sein Podcast online.
Bild: Robert Recker/ Berlin
Bis zuletzt hatte das Land einen Haushaltsüberschuss, weshalb es nicht von ausländischen Kapitalgebern abhängt. Im Gegenteil: Monatlich flossen rund zehn Milliarden Dollar in den Staatsfonds, dessen Vermögen sich im Sommer 2021 auf 185,9 Milliarden US-Dollar belief, gut zwölf Prozent des russischen BIP. Russland hat Devisenreserven in Höhe von 635 Milliarden Dollar, die fünfthöchsten der Welt.
Das Land hat vor allem seine Goldreserven deutlich ausgebaut und den US-Dollar-Anteil reduziert. Kein Wunder, dass der russische Botschafter in Schweden Viktor Tatarinzew in einem Interview mit der Zeitung „Aftonbladet“ die Lage so zusammenfasste: „Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber wir scheißen auf Ihre ganzen Sanktionen.“
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