Manche Ökonomen rechtfertigen Schwarzarbeit als Notnagel gegen Armut und preisen ihren Beitrag zur Wirtschaft, kritisiert Uta Meier-Gräwe. Doch sie verkennen die Alternativen.
Reinigungskraft
Belgien hat bereits Maßnahmen eingeführt, um Schwarzarbeit bei haushaltsnahen Dienstleistungen zu reduzieren.
Bild: E+/Getty Images
Schwarzarbeit hat in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Es handelt sich um schätzungsweise 360 Milliarden Euro, die 2022 am Fiskus vorbei verdient wurden. Dubiose Unternehmen betreiben Lohndumping und Steuerhinterziehung. Das ist für seriös arbeitende Betriebe und für Arbeitende mit geringer Verhandlungsmacht ein Riesenproblem – selbst in Zeiten des Fachkräftemangels.
Dennoch rechtfertigen derzeit einige Ökonomen und Finanzwissenschaftler Schwarzarbeit in Krisenzeiten: So könnten Menschen vor dem Abrutschen in Armut bewahrt werden, meint etwa der Ökonom Friedrich Schneider. Zudem sei Schwarzarbeit eine bedeutende Form von zusätzlicher volkswirtschaftlicher Wertschöpfung.
Diese Argumentation ist ebenso wenig überzeugend wie die Rechtfertigung des angeblich „beachtlichen“ Beitrags von Menschen in Minijobs zur gesellschaftlichen Wertschöpfung, die gern als „helfende Hände in Haus und Garten“ glorifiziert werden. Verschwiegen wird, dass der Beitrag dieser Arbeitskräfte zum Bruttoinlandsprodukt um ein Vielfaches höher ausfiele, wenn sie sozialversicherungspflichtig und in ihren erlernten Berufen eingestellt würden.
Hier ist nicht nur auf dem Bau ein entschlossenes, wertebasiertes Handeln der Politik im Sinne der von der Ökonomin Mariana Mazzucato propagierten Maxime gefragt: „Der Staat muss die Richtung vorgeben.“
Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt. Auch nicht im Privathaushalt. Und es stimmt nicht, dass es ohne Schwarzarbeit nicht geht. Zwar hat die Finanzkontrolle in den vergangenen Jahren in einigen Branchen ihre Anstrengungen verstärkt. Ausgespart bleibt allerdings bisher der schwarz-grau melierte Arbeitsmarkt in Privathaushalten.
Uta Meier-Gräwe
Uta Meier-Gräwe war bis 2018 Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und Beraterin der Bundesregierung. Ihr aktuelles Buch mit Ina Praetorius „Um-Care: Wie Sorgearbeit die Wirtschaft revolutioniert“ basiert teilweise auf den Homo-Oeconomicus-Kolumnen der Autorinnen im Handelsblatt.
Bild: Gleichstellungsbüro Freiburg
Dabei ließe sich über die im aktuellen Koalitionsvertrag zum zweiten Mal angekündigten, aber immer noch nicht eingeführten Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen die Schwarzarbeit drastisch reduzieren. In Belgien gibt es solche Zuschüsse bereits seit 2004.
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Reguläre häusliche Dienstleistungen, die deutschlandweit seit Jahren stark nachgefragt sind, könnten in guter Qualität angeboten werden. Illegale Beschäftigung ließe sich ebenso wie Altersarmut der meist weiblichen Dienstleister vermeiden.
Mit einem Gesamtvolumen von 1,6 Millionen Euro haben das Bundesfamilienministerium, das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie die Bundesagentur für Arbeit unter dem Namen „Fachkräftesicherung über die Professionalisierung haushaltsnaher Dienstleistungen“ zwischen 2017 und 2019 ein solches Gutscheinmodell gefördert und begleitend evaluieren lassen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollte keinesfalls auf Ökonomen wie Schneider hören, sondern sich an den eindrücklichen fallbezogenen Kosten-Nutzen-Analysen dieses Modellprojekts orientieren.
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