In China ist eine Finanzblase geplatzt – ähnlich wie in Japan vor 30 Jahren. Die chinesische Regierung kann aber von neuen Erkenntnissen profitieren, stellt Richard Koo fest.
Sowohl innerhalb als auch außerhalb Chinas wird heftig darüber diskutiert, ob die chinesische Wirtschaft den Weg Japans vor dreißig Jahren gehen wird. Als jemand, der die Schwierigkeiten Japans nach der geplatzten Finanzblase aus erster Hand kennt, würde ich behaupten, dass es sowohl Ähnlichkeiten als auch wichtige Unterschiede zwischen den beiden Ländern gibt.
Die wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass beide das Platzen einer schuldenfinanzierten Blase erlebt haben. Bis Dezember 2022 sind die Preise für Wohnimmobilien im Durchschnitt der 70 größten chinesischen Städte 15 Monate in Folge gefallen. Der Shanghai-Composite-Aktienindex lag zuletzt gut zehn Prozent niedriger als Ende November 2021.
Wenn die Preise von Vermögenswerten im Verhältnis zu den Verbindlichkeiten einbrechen, sind die Haushalte und Unternehmen übermäßig verschuldet und müssen versuchen, ihren Schuldenberg abzubauen. Wenn aber jemand in einer Volkswirtschaft spart und Schulden abbaut, muss jemand anderes mehr Kredit aufnehmen und Geld ausgeben, um die Wirtschaft in Gang zu halten.
Wenn selbst bei Nullzinsen nur wenige da sind, die die Minderausgaben der vielen Überschuldeten ausgleichen können und wollen, stürzt die Wirtschaft unweigerlich in eine Rezession. Ich nenne das Bilanzrezession.
Der entscheidende Unterschied zwischen dem heutigen China und Japan vor dreißig Jahren besteht darin, dass die Japaner damals keine Ahnung von Bilanzrezessionen hatten, weil die Wirtschaftswissenschaft diese Art von Abschwung nicht berücksichtigt hatte.
Die Chinesen von heute dagegen sind sich darüber im Klaren, dass der öffentliche Sektor als Kreditnehmer der letzten Instanz fungieren muss, um eine Bilanzrezession zu verhindern, wenn der Privatsektor Schulden abbaut. Es ist daher unwahrscheinlich, dass China seine Zeit mit geldpolitischen Lockerungen oder Strukturreformen vergeudet, während das Problem darin liegt, dass der Privatsektor seine zerrütteten Bilanzen sanieren will.
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Erschwerend dabei ist, dass chinesische Unternehmen, schon lange bevor die Blase 2022 platzte, damit begonnen hatten, ihre Kreditaufnahme drastisch zu reduzieren, während gleichzeitig auch die Haushalte weiter sparten.
Das hat die Regierung gezwungen, schon seit 2016 als Kreditnehmer und Geldgeber der letzten Instanz zu agieren. Die kürzlich beendete Null-Covid-Politik hat die Kassen der Regionalregierungen geleert, die bisher den größten Teil der Nachfragestimulierung geschultert und dafür deutlich mehr Geld ausgegeben als eingenommen haben.
Der Autor
Richard Koo ist Chefvolkswirt des Nomura Research Institute in Tokio.
Bild: imago images / Italy Photo Press
Wenn jetzt noch zusätzliche Ausgabensteigerungen erforderlich werden, um der drohenden Bilanzrezession entgegenzuwirken, müssen sie möglicherweise kreative Wege finden, um diese zusätzlichen Kosten zu stemmen.
Ein weiterer Unterschied im Vergleich zur damaligen Situation Japans ist das chinesische Verhältnis zu den USA. Auch Japan lag in den 1980er- und 1990er-Jahren im Streit mit den Vereinigten Staaten. Die Konflikte waren aber rein wirtschaftlicher Natur. Die heutige Konfrontation zwischen den USA und China ist dagegen zutiefst geopolitisch und könnte verheerende Folgen für die exportorientierte chinesische Wirtschaft haben, wenn die Entkopplung anhält.
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Mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 12.000 Dollar befindet sich China zudem in der „Falle des mittleren Einkommensbereichs“ (Middle Income Trap), in dem für viele Länder der Wachstumsprozess zu erlahmen beginnt.
Zusammen mit der unter der Regierung von Xi Jinping gestiegenen regulatorischen Unsicherheit könnte dies eine zusätzliche Erklärung liefern, warum chinesische Unternehmen weniger Kredite aufnehmen und weniger investieren.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Japans Bevölkerung erst 2009, fast zwei Jahrzehnte nach dem Platzen der Blase im Jahr 1990, zu schrumpfen begann. In China hingegen begann die Bevölkerung im selben Jahr zu schrumpfen, in dem die Blase platzte, 2022. Das dämpft das Wirtschaftswachstum zusätzlich.
Kurzfristig sollte sich die chinesische Wirtschaft nach dem Ende der Null-Covid-Politik erholen. Die Xi-Regierung muss sich auch keine Sorgen über politische Opposition gegen eine freigiebige Ausgabenpolitik machen, da sie keine Opposition duldet. Mittelfristig könnten jedoch viele der oben beschriebenen selbst verschuldeten Probleme das Wirtschaftswachstum bremsen, etwas, womit Japan vor dreißig Jahren nicht konfrontiert war.
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