Wenn mit der Schuldenbremse nicht weiterhin sehr pragmatisch umgegangen wird, drohen die Staatshaushalte ab 2022 vor die Wand zu fahren.
Achim Truger
Achim Truger ist Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professor für Staatstätigkeit und Staatsfinanzen an der Universität Duisburg-Essen.
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Für ihr entschlossenes finanzpolitisches Vorgehen in der Coronakrise bekam die Bundesregierung zu Recht viel Lob aus der ökonomischen Zunft. In sehr kurzer Zeit verabschiedete sie großvolumige Maßnahmenpakete zur Überbrückung der Krise und zur Konjunkturstützung. Dafür verabschiedete sie sich pragmatisch von der „schwarzen Null“. Über die Ausnahmeregel der Schuldenbremse erteilte sie sich 2020 Rekordkreditermächtigungen von 218 Milliarden Euro. Viele Landesregierungen handelten ähnlich.
Doch wie soll es weitergehen? Aus ökonomischer Sicht ist das ziemlich klar: Die Finanzpolitik sollte keinesfalls vorzeitig auf einen strengen Konsolidierungskurs durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen gezwungen werden. Dadurch würde der Aufschwung gefährdet und die staatliche Handlungsfähigkeit eingeschränkt.
Wie die Euro-Krise gezeigt hat, verfehlen übereilte Konsolidierungsversuche das eigentliche Ziel, und die Schuldenstandsquoten steigen. Daher sollte die Finanzpolitik auf Sicht fahren und die Haushalte im Aufschwung über Wachstum konsolidieren. Das auf absehbare Zeit extrem niedrige Zinsniveau verringert die Kosten der Verschuldung und erleichtert eine vorsichtige Konsolidierung.
Leider schwebt aber die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wie ein Damoklesschwert über den öffentlichen Haushalten. Wenn es nicht zu einem überraschend schnellen und kräftigen Aufschwung kommt, wird die Wirtschaftskrise auch nach 2021 gegenüber der Planung zu Einnahmeausfällen bei Bund, Ländern und Gemeinden von über 40 Milliarden Euro jährlich führen. Hinzu kommen fast 20 Milliarden aus steuerlichen Maßnahmen des Konjunkturpaketes und dem geplanten 2. Familienentlastungsgesetz.
Im Rahmen der Schuldenbreme lassen sich solche Lücken nicht mehr ohne Weiteres durch Kredite auffangen: Die Ausnahmeregel lässt sich nicht beliebig lange in Anspruch nehmen, die konjunkturellen Spielräume werden durch das verwendete Konjunkturbereinigungsverfahren kleingerechnet, und bald schon wird auch noch mit der Tilgung der im Rahmen der Ausnahmeregel aufgenommenen Kredite begonnen werden.
Im schlimmsten Fall drohen die Haushalte ab 2022 vor die Wand zu fahren. Drastische Kürzungen oder Steuererhöhungen wären die Folge. Wachstum und Beschäftigung nähmen Schaden, die notwendigen massiven öffentlichen Investitionen zur Bewältigung der sozialökologischen Transformation drohten zu unterbleiben.
Um dies zu verhindern, muss die Ausnahmeregel so lange wie nötig genutzt und die Konjunkturbereinigung angepasst werden. Die Tilgungszeiträume müssen gestreckt und Investitionen über Extrahaushalte finanziert werden.
Die Politik muss dies genauso pragmatisch und entschlossen angehen wie die Corona-Rettungsmaßnahmen, sonst könnten alle Anstrengungen vergeblich gewesen sein.
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