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04.01.2021

14:19

Homo Oeconomicus

Philine Erfurt Sandhu: Unternehmen ohne Diversität riskieren ihren Zugang zu Kapital

Von: Philine Erfurt Sandhu

Erste Vermögensverwalter drohen an, Vorstände wegen fehlender Diversität nicht zu entlasten. Dax-Unternehmen werden mehr tun müssen als das Gesetz erfüllen.

Philine Erfurt Sandhu ist Dozentin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Pressefoto

Die Autorin

Philine Erfurt Sandhu ist Dozentin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin.

Die Vermögensverwalter Amundi und Axa Investments verstärken seit November in Frankreich den Druck auf das Topmanagement: Sie fordern mindestens 30 Prozent Frauenanteil in den Vorständen der 120 größten börsengelisteten französischen Unternehmen. Sollten diese Unternehmen nicht genug Fortschritte bei der Erhöhung ihres Frauenanteils machen, drohen sie an, die Unternehmensspitze auf den Hauptversammlungen nicht zu entlasten.

Auch andere Investmenthäuser wie Goldman Sachs und Investoren wie Blackrock oder BNP Paribas haben bereits angekündigt, nicht in Unternehmen mit sogenannten „all male boards“ investieren zu wollen beziehungsweise diese nicht an die Börse zu führen. In Ländern, in denen durch ein dualistisches System Aufsichtsrat und Vorstand getrennt sind, werden in der Regel nur die Aufsichtsräte in den Blick genommen.

Die französischen Investoren gehen nun einen Schritt weiter. Sie zielen auch auf die Vorstände ab, die bei einem Großteil der Unternehmen noch deutlich homogener sind als die Aufsichtsräte. Für die französische Wirtschaft ist das brisant, denn ein Viertel aller Unternehmen im Börsenindex SBF 120 verfügt im Vorstand über keine einzige Frau. Damit steht für diese Firmen der Zugang zu Kapital auf dem Spiel.

Investoren begreifen immer mehr, dass Diversität im Topmanagement nicht nur gesellschaftlich gewünscht ist, sondern sich auch ökonomisch rechnet. Aus den eigenen Anlagedaten analysierte jüngst Goldman Sachs, dass Unternehmen mit höherer Diversität im Topmanagement eine höhere Performance für Aktienanleger erbringen.

Zudem indiziert der deutsche Fall Wirecard, dass die Ernennung einzelner Frauen nicht ausreicht, um das Gruppendenken in Monokulturen aufzubrechen. Diversität bedeutet mehr, als nur eine weiße, mittelalte Frau unter vielen weißen, mittelalten Männern zu platzieren.

Debatte wird Deutschland erreichen

Die Debatte in Frankreich wird eher früher als später auch Deutschland erreichen. Das Finanzdienstleistungsinstitut IHS Markit sieht für die deutsche Hauptversammlungssaison 2021 einen Trend: Neben Nachhaltigkeit werden Investoren einen stärkeren Blick auf die Diversität in deutschen Unternehmensspitzen setzen – und das sogar auf „racial diversity“.

Um Diversität in Deutschland zu erreichen, wird die Ausweitung des Führungspositionengesetzes („Quote“) zu wenig bringen. Zwar ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten durch das Gesetz deutlich gestiegen, aber den Berechnungen der Boston Consulting Group zufolge wird die Mindestbesetzung von einer Frau im Vorstand nur zu einem Frauenanteil von 16 Prozent in Vorständen führen.

Tatsächliche Diversität geht über die Zählung weniger (weißer) Frauen hinaus. Ein unbewusstes Tabu ist und bleibt der türkisch klingende Nachname, die dunkle Hautfarbe oder die ostdeutsche Herkunft. Vorstandsmitglieder mit diesen Kriterien lassen sich in Deutschland an einer Hand abzählen.

Fraglich ist, ob internationale Investoren die deutsche Einfältigkeit hinnehmen werden. Wenn deutsche Firmen ihren Zugang zu Kapital sichern wollen, müssen sie mehr tun, als nur reaktiv das Quotengesetz umzusetzen.

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