Echtzeit-Überweisungen per QR-Code verdrängen in Asien Bargeld und Kreditkarte. Europa droht bei der Revolution im Zahlungsverkehr zum Außenseiter zu werden.
Laden in Bangkok
In Thailand nutzen viele Einheimische beim Einkaufen ihr Smartphone und bezahlen per QR-Code.
Bild: Bloomberg
Mumbai Wer als ausländischer Tourist im Thailandurlaub die Hauptstadt Bangkok mit der Hochbahn erkunden will, reiht sich in der Warteschlange des Ticketschalters ein. Während die Einheimischen an der Schlange vorbeiziehen, indem sie ihr Ticket in Sekundenschnelle über das Abfotografieren eines QR-Codes bezahlen, müssen die Touristen mit ihren 500- und 1000-Baht-Scheinen persönlich am Schalter bezahlen.
Hinter der schnellen Handy-Überweisung steckt eine standardisierte, nationale Bezahlinfrastruktur namens Prompt Pay, die auf einer Zusammenarbeit von Staat und Privatwirtschaft basiert.
Die Bezahlstruktur ist offen für alle Bank- oder Fintech-Apps, die sie nutzen wollen. Das System funktioniert also unabhängig davon, bei welcher Bank Kunden und Händler ihre Konten haben, welche Bezahl-Apps sie verwenden oder – im Gegensatz zu Angeboten wie Apple Pay – welches Smartphone sie benutzen.
Gebühren fallen nicht an. Das macht die digitale Bezahlmöglichkeit auch bei der Transaktion kleinerer Summen attraktiv. Allerdings benötigt man ein lokales Bankkonto, Touristen sind noch außen vor.
Bei Echtzeit-Bezahldiensten via Smartphone gehört Thailand, wo inzwischen jede Nudelsuppe am Straßenrand per Handy bezahlt werden kann, hinter Indien und China zu den Weltmarktführern: Anders als bei Transaktionen mit Karte brauchen sowohl Straßenhändler als auch Luxusgeschäfte kein spezielles Bezahlterminal, um bargeldlos abkassieren zu können.
Es reicht aus, den Kundinnen und Kunden einen ausgedruckten QR-Code zum Einscannen per Smartphone vorzulegen – das Geld ist dann auch ohne teure Technik im Nullkommanichts auf dem Konto des Empfängers.
Die einfache Handhabbarkeit hat Asiens neuen Bezahlmodellen einen einzigartigen Siegeszug beschert. In Indien, dem globalen Vorreiter bei den Smartphone-Überweisungen, wurden im vergangenen Jahr 72 Milliarden Transaktionen über das nationale Echtzeit-Zahlungssystem Unified Payments Interface (UPI) registriert – doppelt so viele wie im Vorjahr. Selbst in ländlichen Gegenden findet sich kaum ein Händler, der die Bezahlweise nicht akzeptiert. Das System funktioniert auch, um Geld unkompliziert an Bekannte und Verwandte zu schicken.
Laut einer Studie des Finanzdienstleisters ACI Worldwide, die sich auf Zahlen von 2021 bezieht, sind die Echtzeit-Transaktionen in keinem anderen Land so erfolgreich wie in Indien: Das Transaktionsvolumen lag dort mit knapp 50 Milliarden Dollar mehr als doppelt so hoch wie in China, das wiederum Thailand deutlich abhängt. Auf Platz vier und fünf werden Brasilien und Südkorea gelistet. Inzwischen sind die Volumina noch deutlich größer.
Asia Techonomics
In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Bild: Klawe Rzeczy
Indien allein habe mehr digitale Transaktionen als die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zusammen, betonte Indiens IT-Minister Ashwini Vaishnaw vor wenigen Wochen auf dem Davoser Weltwirtschaftsforum. Premierminister Narendra Modi verkündete ein paar Monate vorher, dass Indien inzwischen 40 Prozent der globalen Echtzeit-Transaktionen verbuche.
Indien nimmt eine zentrale Rolle ein, wenn es darum geht, internationale Standards beim digitalen Bezahlen zu setzen. Die Behörden des Landes sind gerade eifrig dabei, das UPI in der Region zu exportieren – von Nepal über Bhutan bis nach Oman haben sie bereits Abkommen geschlossen, die es Indern im Ausland erlauben, auch auf Reisen ähnlich einfach per Smartphone und QR-Code zu bezahlen wie in der Heimat. Am Dienstag verkündete die indische Zentralbank, die Echtzeitbezahlinfrastruktur an Singapur anzudocken.
Auch Thailand hat sein Bezahlsystem Prompt Pay mit einer Schnittstelle an Singapurs Variante Pay Now gekoppelt. Indonesien, Malaysia und die Philippinen haben ebenfalls angekündigt, ihre digitalen Bezahlsysteme an die Plattformen der Nachbarn andocken zu wollen. Für asiatische Urlauber dürften Reisen auf dem Kontinent damit künftig deutlich einfacher werden – Bargeld in Fremdwährungen zu organisieren könnte bald der Vergangenheit angehören.
Das sollte auch die Finanzindustrie in Europa aufhorchen lassen: Denn die neuen Bezahlstandards könnten angesichts der Hunderten Millionen von Nutzern in Asien schnell eine ernste Konkurrenz zu dem in Belgien ansässigen System Swift werden, das den Zahlungsverkehr bisher dominiert.
Dass deutsche Institutionen die Entwicklung bisher nur von außen beobachten, anstatt sie mitzugestalten, droht für die deutsche Wirtschaft im internationalen Geschäft langfristig zum Nachteil zu werden. Bis sich das ändert, bleiben wohl auch deutsche Asientouristen auf das Bargeld aus Geldautomaten und Wechselstuben angewiesen.
In der Kolumne Asia Techonomics schreiben Nicole Bastian, Dana Heide, Sabine Gusbeth, Martin Kölling und Mathias Peer im wöchentlichen Wechsel über die spannendsten technologischen und wirtschaftlichen Trends in der dynamischsten Region der Welt.
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