Asia Techonomics
In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Bild: Klawe Rzeczy
Chinas Internetplattformen expandieren in neue Geschäftsbereiche. Dazu brauchen sie die Gewinne aus ihrem Kerngeschäft – aber das leidet unter den staatlichen Eingriffen.
Peking In Chinas großen Tech-Konzernen wächst die Unruhe. Die jüngsten Quartalszahlen machen deutlich, wie stark die Internetplattformen unter der zunehmenden Regulierung und den Coronaeinschränkungen leiden: Der E-Commerce-Riese Alibaba wuchs mit neun Prozent in den ersten drei Monaten so langsam wie seit seinem Börsengang 2014 nicht mehr. Beim Suchmaschinenkonzern Baidu betrug das Plus nur noch ein Prozent. Der Umsatz des Social-Media-Giganten Tencent stagnierte praktisch.
Wie groß die Verunsicherung in den Führungsetagen ist, zeigt eine der seltenen (halb-)öffentlichen Meinungsäußerungen von Tencent-Gründer und Chef Pony Ma. In der Social-Media-App Wechat, die zu seinem Imperium gehört, leitete Ma einen Artikel an seine Kontakte weiter, der ein düsteres Bild der chinesischen Wirtschaft zeichnet. Ein Screenshot davon fand den Weg in die Öffentlichkeit und wurde vielfach geteilt. Darin hob er die Absätze über die Probleme der Internetwirtschaft mit dem Kommentar „sehr anschaulich“ hervor.
„Manche Internetnutzer scheinen zu glauben, dass Unternehmen bankrott gehen können, aber keine Mitarbeiter entlassen dürfen“, heißt es dort. Sie würden ausschließlich Halbleiter und sogenannte Hardcore-Technologien als wirtschaftlich relevant betrachten und dabei Lebensmittel, Kleidung, Transport und Wohnen vernachlässigen, die sie für „zu banal oder unbedeutend“ hielten.
Zwar wird in dem Artikel die chinesische Staatsführung nicht direkt kritisiert. Doch es wird deutlich, dass er auf die regulatorischen Eingriffe abzielt, die Hightech-Technologien für die Industrie wie Halbleiter, Künstliche Intelligenz und Robotik gegenüber Dienstleistungen für Privatkonsumenten wie E-Commerce und Social-Media-Angeboten bevorzugen. Letzteres aber ist das Kerngeschäft von Alibaba und Tencent.
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Mit dem Fokus auf industrielle Hightech-Anwendungen will Peking die Abhängigkeit von ausländischen Technologien, insbesondere aus den USA, reduzieren – und damit die eigene Verwundbarkeit. Das Streben nach mehr technologischer Autarkie dürfte sich aufgrund der westlichen Sanktionen gegenüber Russland nach dessen Überfall auf die Ukraine weiter verstärkt haben.
Wie groß das Misstrauen inzwischen ist, zeigte eine Anordnung Anfang Mai an zentrale Regierungsbehörden und Staatsunternehmen Computer nicht-chinesischer Hersteller binnen zwei Jahren durch heimische Marken zu ersetzen. In einem Meinungsartikel forderte die staatliche Zeitung „People's Daily“ China zudem jüngst auf, mehr im eigenen Land entwickelte Software zu verwenden.
Pony Ma
Wie groß die Verunsicherung ist, zeigen die Äußerungen des Tencent-Gründers und Chefs.
Bild: picture alliance / Song Fan/Imag
Auch die großen Tech-Plattformen investieren verstärkt in neue Geschäftsbereiche wie Cloud-Anwendungen. Alibaba, Baidu, Huawei und Tencent sind die vier größten Anbieter von Cloud-Diensten in China, die im vergangenen Jahr 80 Prozent des Marktes unter sich ausmachten.
Wie die jüngsten Geschäftsberichte zeigen, zahlt sich das inzwischen aus. Marktführer Alibaba Cloud erzielte zwischen Januar und März erstmals seit der Gründung 2009 einen kleinen Gewinn. Im vergangenen Geschäftsjahr, das bei Alibaba im März endete, war der Geschäftsbereich schneller gewachsen als das Kerngeschäft, E-Commerce in China. Allerdings sorgte Letzteres nach wie vor für fast 70 Prozent des Umsatzes und praktisch den kompletten Gewinn.
Bei den anderen Tech-Riesen sieht das nicht anders aus. Baidu setzte im ersten Quartal mit seinen Cloud-Diensten zwar 45 Prozent mehr um als im Vorjahreszeitraum. Und auch bei Tencent wuchs der Fintech- und Business-Services-Bereich, zu dem die Cloud-Angebote zählen, während der Gesamtumsatz fast stagnierte. Doch die Konzerne sind nach wie vor auf die Gewinne aus dem Kerngeschäft angewiesen, um Investitionen in neue Technologien zu finanzieren – und neue Arbeitsplätze zu schaffen.
In der Kolumne Asia Techonomics schreiben Nicole Bastian, Dana Heide, Sabine Gusbeth, Martin Kölling und Mathias Peer im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in der dynamischsten Region der Welt.
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