Asia Techonomics
In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
Bild: Klawe Rzeczy
Um Sicherheitsbedenken in den USA zu entkräften, will der Bytedance-Konzern die Plattform ein wenig abkoppeln. Doch ein wirkliches Decoupling ist unrealistisch.
Für Brendan Carr, Spitzenbeamter der US-Kommunikationsbehörde FCC, ist die Sache klar: Die Videoplattform Tiktok ist in seinen Augen ein „unakzeptables nationales Sicherheitsrisiko“. Massenhaft würden Daten der vor allem jungen Nutzer gesammelt, auf die Peking dann augenscheinlich unkontrolliert zugreifen könne. Apple und Google sollten Tiktok deshalb aus ihren App-Stores werfen, forderte Carr jüngst.
Die Plattform mit mittlerweile mehr als einer Milliarde monatlicher Nutzer weltweit ist im Besitz des chinesischen Bytedance-Konzerns. Und in einer Zeit, in der die Abhängigkeit von China als eines der größten politischen Probleme gesehen wird, bereitet die Plattform in den USA nicht nur FCC-Mitglied Carr Sorgen, sondern auch Politikern beider großer Parteien.
Bisher hat das Management mit einer recht geschickten Vogel-Strauß-Taktik fast alle regulatorischen Angriffe ins Leere laufen lassen, selbst wenn sie von oberster Stelle kamen: Im September 2020 hatte der damalige Präsident Donald Trump über eine Präsidialanordnung gedroht, Tiktok aus den USA zu verbannen – wenn die Plattform nicht an ein US-Unternehmen verkauft werde.
Bytedance schien zunächst zu folgen. Ein Verkauf an Oracle und Walmart etwa war im Gespräch. Aber eine einstweilige Verfügung gegen die Anordnung, eine Präsidentschaftswahl und einen Amtswechsel später war von dem Verkauf dann keine Rede mehr.
Im vergangenen Sommer widerrief Joe Biden die Anordnung seines Vorgängers Trump in Sachen Tiktok. Er stellte Sicherheitsüberprüfungen von Tiktok sowie weiterer Apps aus Ländern politischer Rivalen in Aussicht. Geschehen ist bisher wenig.
Bytedance hat das Tiktok-Geschäft in einen eigenen Geschäftsbereich gepackt, um ihn unabhängiger erscheinen zu lassen. In China selbst läuft die Kurzvideo-App unter dem Namen Douyin. Im Juli ernannte Tiktok dann eine neue globale Sicherheitschefin, um den US-Bedenken zu begegnen.
In den USA arbeitet das Unternehmen daran, sensible Daten wie Telefonnummern von US-Nutzern auf einen eigenen Oracle-Server in Texas zu verlagern, auf den dann von chinesischer Seite nur noch eingeschränkt Zugriff bestünde. Dies wird aber nur einen Teil der Daten betreffen. Und auch dann werden einige Bytedance-Mitarbeiter in China weiter Zugriff auf die Daten haben, wie Tiktok-Chef Shou Zi Chew jüngst in einem Brief an republikanische Senatoren einräumte.
Die Internetseite „Buzzfeed“ hatte die Diskussion mit einem Bericht über den wiederholten Zugriff chinesischer Mitarbeiter auf US-Nutzerdaten wieder angeheizt. Außerdem unterstehe zumindest ein Teil des neu gegründeten US-Datenabschirmteams der chinesischen Zentrale, schreibt „Buzzfeed“. So einfach geht das eben nicht mit dem Entkoppeln.
Mittlerweile wird die Frage, wie chinesisch und wie gefährlich Tiktok ist, in den USA wieder prominent diskutiert. „Forbes“ wertete jüngst die LinkedIn-Profile von Bytedance- und Tiktok-Angestellten aus und zählte nach, 300 von ihnen hätten früher bei chinesischen Staatsmedien gearbeitet.
Am Beispiel Bytedance wird klar, dass eine komplette Entkopplung innerhalb eines Konzerns unrealistisch ist. Ein für die deutsche Wirtschaft, in der das Decoupling des Chinageschäfts teilweise durchgespielt wird, durchaus lehrreiches Anschauungsbeispiel.
Die Nutzerdaten sind in der Debatte dabei nur ein Aspekt. Der andere ist, welche Inhalte der Tiktok-Algorithmus begünstigt und welche er ausfiltert. Der republikanische Senator Ted Cruz etwa nennt Tiktok ein „trojanisches Pferd, das die Kommunistische Partei Chinas nutzen kann, um zu beeinflussen, was Amerikaner sehen, hören und letztlich denken.“
Fußgängerinnen vor der Bytedance-Zentrale in Peking
In den USA sind Sicherheitsbedenken gegen die App Tiktok wieder lauter geworden.
Bild: AP
In China selbst musste Bytedance den Algorithmus für Douyin den Behörden offenlegen. In den USA ist von einem solchen Schritt gegenüber Tiktok keine Rede. Jetzt jedoch werden Rufe nach einer neuen Untersuchung durch die Handelsbehörde laut.
In Großbritannien hat Liz Truss, Anwärterin auf das Amt des Premierministers, versprochen, dass sie sich Tiktok und Bytedance vornehmen werde, was auch immer sie damit genau meint. Indien hat die App bereits verboten.
Das Problem der Politiker: Tiktok ist mittlerweile eine der wichtigsten Onlineplattformen der USA. Zwei Drittel der jungen Amerikaner zwischen 13 und 17 Jahren nutzen einer jüngsten Erhebung von Pew Research zufolge die App. Damit hat sie Instagram, Snapchat und Facebook in dieser Altersgruppe überholt. Nur Youtube wird stärker genutzt. Traut sich ein Politiker, gegen eine so beliebte Plattform vorzugehen?
Und ist es im Wahlkampf das größere Risiko, auf Tiktok als Werbeträger zu verzichten oder die Plattform wegen der China-Connection zu nutzen? Die Verwaltungschefin des US-Repräsentantenhauses jedenfalls warnte vergangene Woche, Abgeordnete sollten die App nicht herunterladen oder nutzen. Ihr Büro stufe Tiktok wegen Datenschutzproblemen als hohes Risiko ein.
In der Kolumne Asia Techonomics kommentieren Nicole Bastian, Sabine Gusbeth, Dana Heide, Martin Kölling und Mathias Peer im Wechsel Innovations- und Wirtschaftstrends in der dynamischsten Region der Welt.
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Kommentare (1)
Account gelöscht!
17.08.2022, 18:07 Uhr
Alles was USA China vorwirft, macht es selbst auch:-)