Twitter, E-Autos, Satelliteninternet: Thierry Breton will die Machtfülle des US-Milliardärs beschneiden. Er setzt auf das, was Musk verabscheut: einen starken Staat.
Umriss von Elon Musk
Der Milliardär inszeniert sich nach seiner Twitter-Übernahme als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit, sorgt aber auch für viel Chaos.
Bild: Reuters
Zunächst ging es noch harmonisch zu zwischen EU-Kommissar Thierry Breton und dem Chef des US-Autobauers Tesla, Elon Musk. Als Breton den Milliardär im Mai im texanischen Austin besuchte, fachsimpelten die beiden über Europas „Digital Services Act“, der Internetplattformen Regeln auferlegen soll.
Fast kleinlaut versicherte Musk dem EU-Kommissar, dass er mit dem europäischen Ansatz, große Onlineunternehmen in die Verantwortung zu nehmen, „sehr stark übereinstimmt“. Breton nahm das erfreut, wenn auch mit einem gewissen Unglauben, zur Kenntnis.
Von der guten Stimmung ist heute nicht mehr viel übrig. Breton ist der wichtigste Gegenspieler von Musk. Letzterer inszeniert sich nach seiner Twitter-Übernahme als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit, tritt in seiner neuen Rolle als Twitter-Chef aber vor allem als digitaler Unruhestifter in Erscheinung. Der „Marktplatz der freien Rede“, den Musk versprochen hat, ist auf dem Weg, zum Rummelplatz für Onlinetrolle zu werden.
Das Twitter-Chaos beherrscht seit Wochen die Schlagzeilen, doch die Rivalität zwischen Musk und Breton reicht wesentlich weiter. Auch in jenen Geschäftsbereichen, denen Musk seinen Aufstieg zum Milliardär verdankt, kommt ihm der französische Kommissar in die Quere.
Das gibt dem Duell zwischen Tech-Pionier und Regulator seine eigentliche Brisanz, zumal sich in ihm der Gegensatz zwischen Tatendrang und Behutsamkeit spiegelt, der die Beziehungen zwischen den USA und der EU insgesamt charakterisiert.
Europa-Kolumne
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Bretons jüngstes Projekt ist die Wende zur Elektromobilität. Er will eine Industrieallianz mit europäischen Herstellern schmieden und Europas Zugriff auf kritische Rohstoffe sichern. Dadurch sieht sich der Chef des E-Auto-Vorreiters Tesla herausgefordert.
Sogar im grenzenlosen All geraten Breton und Musk aneinander. Breton treibt Europas Secure Connectivity Initiative voran, erst kürzlich umgetauft in Iris 2. Dahinter verbirgt sich ein Satellitennetzwerk – die Antwort der EU auf Musks Starlink.
Der Internetservice aus dem All hat im Ukrainekrieg strategischen Wert unter Beweis gestellt. Die ukrainischen Streitkräfte nutzen Starlink, um ihre Einheiten zu vernetzen. Den Russen gelingt es nicht, die Signale zu stören. Die EU will nun nachziehen, um nicht von einem privaten US-Dienstleister abhängig zu sein.
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Musk hat gezeigt, welche Innovationskraft ungehemmter Unternehmergeist entfesseln kann. Seine Verdienste sind unbestritten, seine charakterlichen Mängel allerdings auch, weshalb die zunehmende Konzentration von Macht und Milliarden in seinen Händen zum Politikum wird. Nachdem Musks „Friedensplan“ für die Ukraine von Kiew zurückgewiesen wurde, häuften sich Berichte über Starlink-Aussetzer an der Front.
Ob Absicht oder nicht: Allein die Tatsache, dass Stimmungsschwankungen eines Superreichen den Kriegsverlauf beeinflussen könnten, ist Anlass zur Sorge. Zumal im Falle Musk nicht nur Hybris problematisch werden könnte. Musk schreckt nicht davor zurück, via Twitter Verschwörungsmythen zu verbreiten.
Dass von einem mit Desinformation, Propaganda und Hass gefluteten Internet Gefahr für die Demokratie ausgeht, scheint er entweder nicht zu begreifen oder, schlimmer noch, in Kauf zu nehmen.
Auch den Amerikanern dämmert langsam: Der Staat darf diesem Treiben nicht tatenlos zuschauen. „Der Kongress muss die Ära der gescheiterten Selbstregulierung von Big Tech beenden und Gesetze erlassen, die Sicherheit der Nutzer über Launen der Milliardäre stellen“, forderte der einflussreiche US-Senator Ed Markey am Wochenende.
Es zeichnet sich ein Rollentausch ab, genauso hatte sich Breton das vorgestellt: In Regulierungsfragen könnten die Europäer nun Pioniere sein – und die Amerikaner hinken hinterher.
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