PremiumAktien setzen ihre Rally fort. Auch der Euro befreit sich aus dem Sinkflug und ist wieder deutlich mehr als einen Dollar wert. Das schadet exportstarken Firmen – aber nur vordergründig.
Euro verleiht Flügel
Handelsblatt-Redakteur Ulf Sommer erläutert die positiven und negativen Effekte des steigenden Euros.
Frankfurt Der Euro steigt und steigt: Seit seinem Tief Anfang November hat er um sechs Cent gegenüber dem Dollar aufgewertet, das sind gut sechs Prozent. Allein seit vergangenem Donnerstag legte er um knapp vier Cent zu. Europa lockt derzeit also mehr Gelder an als die USA.
Grund dafür dürften die neuerlich und nun schon den vierten Monat in Folge gesunkenen Inflationsraten in den USA sein. Die etwas abnehmende Teuerung schürt an den Finanzmärkten Spekulationen, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Zinsen künftig nicht mehr ganz so kräftig erhöhen wird wie ursprünglich angenommen.
Das wiederum würde bedeuten, dass Anlagen im Dollar-Raum gegenüber denen in Europa etwas an Attraktivität verlieren – oder positiver ausgedrückt: Europa wird, was die Zinsen angeht, im Verhältnis zu den USA etwas attraktiver.
Der deutsche Aktienmarkt reagiert auf diese Konstellation positiv: Der Dax setzte seinen Höhenflug zu Beginn der neuen Handelswoche fort. Der deutsche Leitindex beendete den Handel am Montag 0,6 Prozent im Plus bei 14.313 Punkten. Das sind etwa 20 Prozent mehr als beim Tief Anfang Oktober. Die Wall Street in New York notierte zwei Stunden nach Handelsbeginn geringfügig schwächer.
Seit Beginn des kleinen Euro-Höhenflugs Ende September ist der Dax schon um mehr als 1000 Punkte oder acht Prozent gestiegen. Das mag auf den ersten Blick erstaunen, denn mit einem steigenden Euro verschlechtern sich eigentlich die Ausgangsbedingungen für die meisten Unternehmen im Euro-Raum. Ihre Wettbewerbsfähigkeit sinkt gegenüber den amerikanischen Konkurrenten angesichts des schwächer werdenden Dollars.
Mehr noch: Sobald die Firmen ihre im Dollar-Raum erzielten Erträge – und dazu gehören neben Amerika auch weite Teile Asiens – in Euro umrechnen und bilanzieren, errechnen sich geringere Gewinne. Ein binnen eines Jahres um zehn Prozent gefallener Euro erhöht rechnerisch, allein durch die bilanzielle Umrechnung der Währungen, die Vorsteuergewinne der Dax-Konzerne um mehr als zehn Milliarden Euro. Umgekehrt gilt dasselbe in die negative Richtung, wenn der Euro steigt.
Es muss also wichtigere Gründe geben, die den Dax trotzdem nach oben treiben. Es gibt sie: Die Unternehmen verdienen nach wie vor viel Geld, wie sich in der laufenden Berichtssaison zum dritten Quartal zeigt. Den Rekordgewinnen von 2021 dürften fast ebenso hohe 2022 folgen.
Ob Telekom, Allianz, Bayer oder Linde: Die großen Dax-Konzerne haben mit ihren Neun-Monats-Bilanzen überzeugt und schaffen es bislang weitaus besser, mit den vielen Krisen umzugehen, als bislang befürchtet. Weder steigende Preise noch viele immer noch gestörte Lieferketten können den Erträgen bislang etwas anhaben – und auch nicht die sich eintrübende Weltkonjunktur.
Vor allem aber beflügelt den Dax die Aussicht auf ein Ende der Zeiten, in denen die US-Zinsen stark steigen. Davon ist die Notenbank zwar noch weit entfernt, doch die Börse schaut gern weit in die Zukunft: Deshalb setzen Anlegerinnen und Anleger schon jetzt auf diesen Effekt.
Angesichts dieser Hoffnungen verpufft der negative Gewinneffekt eines plötzlich wieder steigenden Euros. Dieser hat im Übrigen für Unternehmen und Konsumenten auch sein Gutes: Er verbilligt die teuren Rohstoffeinfuhren, die fast immer in Dollar abgerechnet werden, um ein paar Prozent. Und sinken die Rohstoffpreise, dann wird sich auch die Inflation in Europa etwas abschwächen, was ebenfalls eine gute Nachricht ist: für Verbraucher und die Börse.
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