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19.01.2023

12:34

Kolumne „Kreative Zerstörung“

Die generative KI eröffnet einen neuen Wettkampf zwischen Google und Microsoft

Von: Miriam Meckel

Der Chatbot ChatGPT von OpenAI hat einen Hype entfacht. Auch andere Unternehmen drängen auf den Markt – es geht um Milliarden. Europa aber hechelt nur hinterher.

Das System ChatGPT könnte die Spielregeln im Internet verändern. dpa

Schreibende künstliche Intelligenz

Das System ChatGPT könnte die Spielregeln im Internet verändern.

Ewig grüßt das Murmeltier und es heißt immer Europa. Mit Beginn des Jahres 2023 zeichnet sich ziemlich klar ab, wie das nächste große Wettrennen um technologischen Fortschritt aussehen wird. Europa wird vorne nicht mit dabei sein.

Das Spielfeld, auf dem dieses Rennen ausgetragen wird, ist die generative KI, also Systeme wie ChatGPT. Der Chatbot von OpenAI hat mit Ende des vergangenen Jahres den Wandel von KI zu einer Grundlagentechnologie für die Allgemeinheit eingeläutet. Die wird uns Menschen zunehmend darin unterstützen, Texte zu schreiben, Bilder zu generieren, Kunst zu schaffen oder Software zu coden. Mehr und mehr wird sie im Zuge ihrer wachsenden Leistungsfähigkeit alleine übernehmen können.

Noch lässt sich ChatGPT kostenfrei in der Betaversion ausprobieren, aber natürlich winkt hier der nächste Milliardenmarkt. OpenAI hat bereits eine Warteliste für Interessierte am Bezahldienst „ChatGPT Professional“ geöffnet.

Auch plant das Unternehmen, zu Beginn dieses Jahres das viel leistungsfähigere Modell GPT-4 zu veröffentlichen. Möglicherweise wird das der Schritt vom reinen Sprachmodell zum multimodalen Modell, das mit Bild, Text und Video arbeiten kann. Das wäre dann die nächste Bombe, gezündet in einem Markt, dessen Regeln gerade neu geschrieben werden.

Microsoft wettet offenkundig darauf, das Rennen zu gewinnen. Der Tech-Riese ist bereits kräftig in OpenAI investiert, plant aber, weitere zehn Milliarden Dollar auszugeben, um seinen Anteil damit auf 49 Prozent zu erhöhen. 75 Prozent aller Gewinne von OpenAI sollen an Microsoft gehen, so lange, bis das Investment wieder reingeholt ist. Das ist schon wirtschaftlich ein guter Schachzug. Strategisch noch viel mehr. Microsoft will ChatGPT offenbar in die bislang dümpelnde Suchmaschine Bing integrieren.

Das ist eine Herausforderung von Google mit der Unterzeile: Wir erfinden die Internetsuche neu. Ganz so leicht wird das nicht, denn bislang glänzt ChatGPT nicht gerade mit verlässlichen Informationen. Der Chatbot spuckt mit großem Selbstbewusstsein wirres Zeug aus, zum Beispiel dass Angela Merkel noch immer Bundeskanzlerin ist oder ein Löffel schneller läuft als ein Kaninchen. Bei der Internetsuche erwartet man korrekte Infos und Präzision. Aber mit den nächsten Versionen von ChatGPT kann sich das Spiel hier schnell ändern.

Google hat derzeit einen Weltmarktanteil von knapp 85 Prozent, Bing einen von knapp neun Prozent – viel Kampfplatz für eine Suchmaschine, die plötzlich Suchen über Gespräche mit einem Bot neu erfindet.

Miriam Meckel ist deutsche Publizistin und Unternehmerin. Sie ist Mitgründerin und CEO der ada Learning GmbH. Außerdem lehrt sie als Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Klawe Rzeczy

Die Autorin

Miriam Meckel ist deutsche Publizistin und Unternehmerin. Sie ist Mitgründerin und CEO der ada Learning GmbH. Außerdem lehrt sie als Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen.

Tausende von App-Entwicklern arbeiten daran, die Künste des Bots für alltägliche Kommunikation zu nutzen. Parallel plant Microsoft, ChatGPT ins eigene Office-Paket zu integrieren. Texte, E-Mails und Präsentationen sind damit künftig ein paar Sprachaufforderungen entfernt. Bei einem fast hälftig aufgeteilten Weltmarktanteil von Microsoft und Google in der Bürosoftware wird das ein spannendes Rennen.

KI-Sprachmodelle: Europa hinkt hinterher

Denn natürlich schläft Google nicht. Das Unternehmen hat schon 2014 DeepMind übernommen, also den direkten Konkurrenten von OpenAI. Der Forschungsableger ist längst profitabel und macht einen Milliardenumsatz. DeepMind hat mit „Gato“ ein multimodales KI-Modell entwickelt, also einen Multitasker, der mit Text, Bild und Video umgehen und die verschiedensten Aufgaben lösen kann. Mit Sprachmodellen, wie LaMDA und PaLM, hat es zuletzt Schlagzeilen gemacht, und in diesem Jahr will das Unternehmen einen eigenen Chatbot namens „Sparrow“ auf den Markt bringen.

Auch in China gibt es einige Firmen, die auf dem Markt mitspielen wollen. Das ist ein wenig komplizierter, weil die kulturellen Unterschiede der Trainingsdaten eine Auslieferung für den Weltmarkt erschweren und weil die chinesische Regierung generativen Systemen strenge Regeln auferlegt. Aber mit Baidu, Tencent und IDEA bieten drei wichtige Player KI-Modelle und -Anwendungen, die zeigen, dass China das Rennen nicht den USA überlassen wird. Auch Israel hat mit den AI21 Labs einen eigenen Player am Start.

Und Europa? Da gibt es LEAM (Large European AI Models), eine Initiative europäischer KI-Organisationen, darunter der deutsche KI-Bundesrat, unterstützt von zahlreichen Unternehmen. Die Initiative soll die Entwicklung von großen Sprachmodellen in Europa voranbringen. Am 24. Januar wird sie dazu eine „Machbarkeitsstudie“ vorlegen.

LEAM ist übrigens ein Anagramm zum englischen „lame“ – übersetzt „lahm“. Während in anderen Teilen der Welt das Rennen um das Siegertreppchen läuft, ist das Murmeltier zumindest aufgewacht. Eine lahme Ente bleibt es trotzdem.

In dieser Kolumne schreibt Miriam Meckel 14-täglich über Ideen, Innovationen und Interpretationen, die Fortschritt und ein besseres Leben möglich machen. Denn was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling. ada-magazin.com

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