Die Sektoren Verkehr und Gebäude verfehlen ihre Klimaschutzziele. Das offenbart aber nicht die Schwächen der zuständigen Ministerien, sondern den Irrsinn des Gesetzes.
E-Auto beim Laden
Autos mit Batterieantrieb sind das bevorzugte Mittel zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor. Um auch den Bestand von 47 Millionen Autos mit Verbrennermotor zu erreichen, stellen wasserstoffbasierte Kraftstoffe oder Biokraftstoffe der zweiten Generation eine Alternative dar.
Bild: IMAGO/Arnulf Hettrich
Man muss gar nicht bis zur Präsentation der deutschen Treibhausgasbilanz des Jahres 2022 am Mittwoch warten, denn schon jetzt steht fest: Der Verkehrssektor und der Gebäudesektor werden ihre Ziele deutlich verfehlen. Die zuständigen Ministerien werden in Kürze Pakete mit milliardenschweren Gegenmaßnahmen vorstellen müssen. Das ist im Klimaschutzgesetz so vorgeschrieben.
Auch jetzt schon klar ist: Die Aufregung über das Scheitern des Bauministeriums und ganz besonders des Verkehrsministeriums wird groß sein. Offenbart nun aber die Veröffentlichung der Jahresbilanz für 2022 die Versäumnisse der jeweiligen Ministerien? Ja, zum Teil schon. Viel stärker aber offenbart das Ritual etwas ganz anderes: Das Klimaschutzgesetz ist eine Fehlkonstruktion.
Als die damalige Große Koalition das Gesetz 2019 beschloss und 2021 noch einmal kräftig nachschärfte, war vielleicht gar nicht allen Beteiligten klar, welchen Mechanismus man in Gang gesetzt hatte. Das Gesetz versucht jahresscharf die klimaschutzrelevanten Sektoren auf den Pfad der Tugend zu zwingen.
Es gab von Anfang an harte Kritik, dass es unsinnig sei, Investitionszyklen zu ignorieren – und zwar zu Recht. Warum muss man beispielsweise die Industrie heute dazu zwingen, ihre alten Anlagen bis an die Grenzen zu optimieren, wenn sie das Geld besser in wasserstoffbasierte Verfahren stecken könnte, um schneller klimaneutral zu werden? Und wer weiß denn schon, wann es in einem Sektor Innovationssprünge gibt, die dazu führen könnten, dass es sinnvoll ist, in diesem einen Sektor viel mehr CO2 einzusparen, in anderen dafür umso weniger?
Warum überhaupt die starre Unterscheidung nach einzelnen Sektoren? Es ist doch politisch gewollt, die Sektorgrenzen aufzulösen. Fragen nach der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit einzelner Maßnahmen lässt das Gesetz ohnehin weitestgehend aus.
Das Gesetz stülpt der gesamten Volkswirtschaft somit ein Korsett über, das ihr an einigen Stellen die Luft zum Atmen nimmt, an anderen möglicherweise zu viel Raum gibt. Nur weiß niemand exakt zu prognostizieren, an welcher Stelle es zwicken wird und an welcher Stelle es zu großzügig geschnitten ist.
Diese Konstruktionsfehler werden aktuell noch potenziert. Man mag Bundesverkehrsminister Volker Wissing vorwerfen, er sei mit Blick auf den Klimaschutz nicht der gestaltungsfreudigste aller Minister. Aber man darf ihn nicht gleichzeitig der Instrumente berauben, die ihn dazu befähigen könnten, im Klimaschutz voranzukommen.
Genau das aber versucht seine Kabinettskollegin Steffi Lemke seit Monaten. Den Einsatz konventioneller Biokraftstoffe torpediert das Umweltressort traditionell und setzt alles daran, ihn zurückzufahren. Bei wasserstoffbasierten Kraftstoffen und Biokraftstoffen der zweiten Generation, die beispielsweise aus Pflanzenabfällen hergestellt werden und von der Tank-Teller-Debatte völlig unberührt sind, hat das Umweltministerium erst kürzlich nach langer Blockade beigedreht. Geradezu unverantwortlich ist die Weigerung des Umweltministeriums, die Anrechnung des Einsatzes von grünem Wasserstoff im Raffinerieprozess auf die CO2-Bilanz zu ermöglichen.
Kurz und gut: Alle Instrumente, die geeignet wären, die Bestandsflotte von 47 Millionen Kraftfahrzeugen im Klimaschutz voranzubringen, werden Wissing konsequent madig gemacht. Stattdessen verweisen seine Koalitionspartner auf Tempo 100 auf Autobahnen. So anachronistisch das fehlende Tempolimit in Deutschland auch ist – im Kampf gegen den Klimawandel hilft eine Geschwindigkeitsbegrenzung herzlich wenig.
Und es bringt auch nichts, mit Milliardensummen Hauruckmaßnahmen vom Zaun zu brechen, wie es Verkehrs- und Bauministerium jetzt tun müssen. Ineffizienter und teurer kann Klimaschutz nicht sein.
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