Eine Bilanz der Geldpolitik seit 2021 zeigt: Fed und EZB haben schlecht kommuniziert, aber nicht alles falsch gemacht.
Fed-Chef Jerome Powell
Der Präsident der US-Notenbank nach einer Pressekonferenz in Washington. Auch 2023 müssen Fed und EZB die Inflation in den Griff bekommen.
Bild: Reuters
Am Mittwoch und Donnerstag müssen die Fed in den USA und die Europäische Zentralbank (EZB) die Märkte noch einmal davon überzeugen, dass die Straffung der Geldpolitik noch nicht vorbei ist. Dass die Zinsen noch weiter steigen müssen, damit die Inflation nicht wieder außer Kontrolle gerät. Dass es zu früh ist, auf die große Wende zu spekulieren.
Wenn ihnen das nicht gelingt, werden die Märkte vorausblickend das Ende der Straffung feiern, und damit werden sich die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen und Investoren erleichtern – und gerade das würde die Preise treiben. Es kommt also einmal mehr darauf an, dass die Notenbanken den richtigen Ton treffen.
Es ist das Jahr der Bewährung – die Inflationskrise ist noch nicht vorbei, auch wenn die Raten abflauen. Mit etwas Glück wird die Inflation Ende dieses Jahres zwar noch nicht am Ziel von zwei Prozent sein, aber immerhin nahe genug, um nicht mehr für große Aufmerksamkeit zu sorgen. Deswegen ist es ein guter Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen: Was haben die Notenbanken falsch, was haben sie richtig gemacht?
Falsch war, dass sie 2021 noch den Eindruck erweckten, die Inflationsgefahren nicht ernst zu nehmen. Die Aussage, die Preissteigerung sei „vorübergehend“, war gefährlich. Sie wurde weitgehend so verstanden, als werde das Problem schnell und ohne große Eingriffe der Notenbanken verschwinden. Tatsächlich geht die Inflation jetzt vorüber, aber das dauert und es geht nicht ohne eine straffere Geldpolitik.
Frühe Kritiker wie der US-Ökonom Mohamed El-Erian und der damalige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatten auch keine Glaskugel, die den kommenden Anstieg der Preise angekündigt hätte. Aber sie monierten zu Recht, dass Notenbanker wie Fed-Chef Jerome Powell und zum Beispiel EZB-Chefökonom Philip Lane das Inflationsrisiko nicht ernst genug nahmen.
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Die Notenbanker hat das Glaubwürdigkeit gekostet, die sie 2022 mit schnellen Zinserhöhungen wiedergewinnen mussten. Das ist ihnen, gemessen an den am Kapitalmarkt erkennbaren Inflationserwartungen, aber relativ gut gelungen.
Die andere Frage ist, wie viel an Inflation die Notenbanken 2022 tatsächlich hätten verhindern können. Die Auswirkungen von Covid und Krieg können sie nicht bekämpfen: Die führen zu relativen Preisveränderungen, die nicht zu verhindern sind. Der Versuch, mit der Brechstange dagegen vorzugehen, hätte zu Preissenkungen in einigen Bereichen geführt und damit großen Schaden hinterlassen.
Der Preisauftrieb kam vor allem in Europa zu einem großen Teil von der Angebotsseite, von steigenden Kosten für Produkte wie Mikrochips und vor allem aus dem Energiebereich.
In den USA dagegen spielte neben Knappheiten im Angebot auch die sehr großzügige Ausgabenpolitik der Regierung eine wichtige Rolle. Sie verstärkte die Nachfrage. In den USA hätte dagegen ein früheres Einschreiten der Fed wahrscheinlich funktioniert. In Europa war es schwieriger: Die EZB kann nicht für billiges Öl sorgen.
Notenbanken können kaum verhindern, dass sich relative Preise verändern. Sie sollten es ja auch nicht: Preise haben die Funktion, Knappheiten zu steuern.
Wenn aber einige Preise, etwa für Energie, relativ zu den anderen stark steigen, müssten ja andere Preise sinken, damit es im Schnitt nicht zu einer Inflation kommt. Aber kann Geldpolitik wirklich das Ziel haben, Preise in Teilbereichen zu senken? Der wirtschaftliche Schaden daraus, die Auswirkungen auf Produktion und Arbeitsplätze, kann groß werden.
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In dieser Situation war es die Aufgabe der Notenbanken, vor allem zu verhindern, dass der Preisauftrieb sich verselbstständigt. Diese Aufgabe war in den USA, wo Nachfrage, ein enger Arbeitsmarkt und steigende Löhne und Gehälter eine wichtige Rolle spielten, dringlicher als in Europa, wo bis jetzt die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale zwar nicht völlig gebannt, aber auch nicht deutlich aus den Daten ablesbar ist.
Gemessen an der jeweiligen Situation hat eher die Fed als die EZB zu lange mit der Inflationsbekämpfung gezögert.
In Kriegszeiten ist alles ungewiss. Aber die Chancen sind gut, dass die Inflation – mit Verspätung und Druck seitens der Notenbanken – tatsächlich zurückgeht.
Dann muss man feststellen: Der vorübergehende Anstieg auf zehn Prozent hat nichts mit der Inflation vor 100 Jahren zu tun, wo mit der Druckerpresse die Lasten aus dem Ersten Weltkrieg finanziert wurden.
Auch der Vergleich mit den 1970er-Jahren, wo starke Gewerkschaften hohe Lohnsteigerungen verlangten, dürfte mit etwas Abstand betrachtet als unzutreffend gelten. Trotzdem hat die Inflation jetzt schon viel gekostet – letztlich sind das die Kosten von Seuche und Krieg.
Im Laufe des Jahres wird sich wahrscheinlich die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf die Frage richten, was nach dem Abflauen der Inflation passiert. Geht es zurück zur Stagnation, zu einer Phase niedrigen Wachstums, niedriger Inflation und niedriger Zinsen? Das glaubt zum Beispiel der Ökonom Olivier Blanchard, der 2021 als einer der ersten vor dem Anstieg der Inflation gewarnt hat.
Oder bleibt es bei einer stärkeren Preisdynamik, wie viele andere Experten erwarten? Vielleicht wird das Gespenst der Preissteigerung zurzeit ebenso überschätzt, wie es vor zwei Jahren zunächst unterschätzt wurde.
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