Der Fußball hat mit der paneuropäischen EM mitten in der Corona-Pandemie seine Glaubwürdigkeit endgültig verloren. Die Menschen wenden sich zu Recht ab.
Uefa-Präsident Ceferin
Sein Verband übte Druck aus, ignorierte die Warnungen sämtlicher Gesundheitsexperten und gab alles dafür, die EM regelrecht durchzuprügeln. Der sportliche Wiedererkennungswert: quasi nicht vorhanden.
Bild: Reuters
Düsseldorf Es ist nur ein einziger Satz. Ein Satz, so ehrlich, so banal, so wenig überraschend: „Insgesamt schauen die Menschen weniger Fußball.“ Das sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky nach dem Ende der Vorrunde der Europameisterschaft – die Einschaltquote war zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zum Turnier 2016 um fast 20 Prozent gesunken.
Es gibt sicher mehrere Gründe, warum die Menschen in diesem Sommer seltener den Fernseher einschalten, wenn Fußball läuft. Doch sämtliche Experten warnen seit Jahren: Wenn der Kommerz irgendwann über dem Spiel steht, wenn das Geld wichtiger ist als die Tore, wenn die Menschen merken, dass es nicht mehr um die Leidenschaft geht, um den Gemeinsinn und die Zusammengehörigkeit, dann wenden sie sich ab.
Dieser Zeitpunkt ist längst eingetreten. Der europäische Spitzenfußball hat mit diesem Turnier – mitten in der Corona-Pandemie verteilt über elf (!) verschiedene Länder – seine Glaubwürdigkeit endgültig verloren.
Wenn am Sonntagabend im Londoner Wembley-Stadion das Finale zwischen Italien und England abgepfiffen wird, dann gibt es höchstens einen einzigen Sieger – Aleksander Ceferin, mächtiger Präsident des europäischen Fußballverbands Uefa.
Er war es, der sämtlichen Warnungen zum Trotz durchgesetzt hat, dass Zigtausende Fußballfans die Spiele ohne Maske in den Stadien verfolgen, zusammen feiern und jubeln können. Er war es auch, der entschieden hat, dass bei dieser EM in Russland, Ungarn und Aserbaidschan gespielt wird. Dass es dort um die Rechte der Menschen schlecht bestellt ist, scheint den Verbandschef nicht zu kümmern.
Das zeigt sich auch daran, wer das Turnier finanziert. Jeder dritte der zwölf Sponsoren stammt aus China, die anderen kommen aus Amerika, Russland und der arabischen Welt. Mit Volkswagen hält ein Konzern aus Europa der Uefa die Treue.
Ceferin war es auch, der die Diskussion über die Bandenwerbung mit Regenbogendesign bei den Viertelfinalspielen in Sankt Petersburg und Baku abgebügelt hat – mit Verweis der geltenden Gesetze in den jeweiligen Ländern. Toleranz und Fair Play, zwei Werte, die eigentlich den Fußball ausmachen, sind im Milliardengeschäft nicht von Bedeutung.
Doch wie nachhaltig wird er sein, der Sieg des Uefa-Chefs? An diese EM wird sich sportlich kaum jemand erinnern. Was bleibt, sind Bilder von Menschen, die sich in den Stadien in den Armen liegen. Abstand halten? Mitnichten! Die Uefa muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie Menschenleben billigend in Gefahr gebracht hat.
Was bleibt, ist die Erschütterung über einen Verband, der sich alles erlaubt. Der sich über Regierungsvertreter, Gesundheitsbehörden und sämtliche Kritiker hinwegsetzt. Und der es scheinbar auch kann.
Doch klar ist auch: Wenn die Menschen dem Sport auf Dauer fernbleiben, dann verlieren auch Verbände wie die Uefa ihre Legitimation. Was noch schwerer wiegt: Der Fußball verliert seine verbindende Kraft in der Gesellschaft.
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