Die EU muss beim Kampf gegen den Klimawandel jetzt die richtigen Antworten finden. Sie könnte damit weltweit zum Vorbild werden.
Windräder vor Dänemark
Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss sich beschleunigen.
Bild: REUTERS
Brüssel Es müsste mal jemand etwas gegen den Klimawandel tun. Auf diese vage Formel können sich viele einigen. Aber wer damit anfangen soll und wie es wann passieren soll, dazu lässt sich nicht so schnell ein Konsens finden. Jetzt ist klar: Die EU will ein Pionier sein – und das ist gut so. Wie sie dabei vorgehen möchte, ist zumindest in Grundzügen erkennbar.
Es ließen sich natürlich auch andere finden, die vorangehen sollten. Der Blick könnte in die USA schweifen, weltweit zweitgrößter Produzent von Treibhausgasen. Doch dort hat der Präsident zwar die Macht, Milliardensummen in Windparks zu investieren.
Aber die Wirtschaft energieeffizienter zu gestalten und von fossilen Brennstoffen zu entwöhnen wird ihm kaum gelingen, solange ein großer Teil der Amerikaner Klimaschutz für überflüssig hält und entsprechende Politiker in die Parlamente wählt.
Auch China, weltweit größter Emittent von CO2, wird der EU die Führerschaft kaum abnehmen. Und obwohl dort die Emissionen pro Kopf mittlerweile auf dem Niveau der EU sind, wäre es auch kaum gerecht: Europäer und Amerikaner blicken auf ein langes und schmutziges Industriezeitalter zurück – in zeitlicher Perspektive haben sie deutlich stärker zum Klimawandel beigetragen als die Chinesen.
Es ist also nur folgerichtig, dass die EU vorangeht. Die Hoffnung ist der „Brussels Effect“, die Annahme, dass andere Länder die Gesetze der EU nachzeichnen. Durch ihren Zusammenschluss haben die Europäer deutlich mehr Einfluss, als es einzelne Staaten haben könnten.
Militärisch mögen andere überlegen sein. Die Soft Power der EU ist unübertroffen. Bisher ging der Brüssel-Effekt bei Wettbewerbsrecht, Lebensmittelsicherheit, Umweltgesetzen und Datenschutz oft auf, nun soll das Prinzip auch beim Kampf gegen den Klimawandel funktionieren.
Und der Weg der EU ist pragmatischer, als viele denken. In der EU-Gesetzgebung wird zwar manche gute Idee zermahlen, aber auch manche schlechte. Hinzu kommt: Der Apparat bewegt sich zwar langsam, dafür sind die Ergebnisse anschlussfähig. Wenn die EU einen Weg zur Klimaneutralität findet, dann ist es besonders wahrscheinlich, dass dieser Weg auch für andere gangbar ist.
Entscheidend ist, dass die EU so oft wie möglich auf Marktanreize setzt statt auf Verbote. Steuern und Zertifikate werden den Ausstoß von CO2 in Zukunft deutlich verteuern. Das ist richtig, weil ein solcher Mechanismus bei jeder einzelnen Firma und bei jedem einzelnen Verbraucher zum Nachdenken führt.
Es ist ein Mechanismus, der neue Ideen und neue Technologien hin zu mehr sauberer Energie fördert, schlicht, weil sich damit Geld verdienen lässt. So nutzt man die Potenziale von Forschern, Unternehmern und Investoren am besten.
Andere Instrumente kommen hinzu, etwa jene, die die Verbrauchswerte für Autos und Sanierungsvorgaben für Gebäude betreffen. Die EU lässt dabei möglichst offen, wie das Ziel erreicht wird. Auch das oft diskutierte Verbot von Verbrennungsmotoren ist bei näherer Betrachtung gar kein Verbot, sondern eine Vorgabe, Autos klimaneutral anzutreiben.
Bisher sieht es so aus, als würden so fast nur noch Elektroautos zugelassen werden können. Doch: Gäbe es ökonomisch sinnvolle Möglichkeiten, Autos mit klimaneutralem Sprit zu fahren, würde sich die EU dagegen nicht sperren.
Trotz aller Diskussionen hat die Kommission auf zwei entscheidende Fragen bisher jedoch keine zufriedenstellenden Antworten gefunden: Wie sollen energieintensive Produkte aus Europa auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben? Und wie will die EU verhindern, dass durch den Verzicht auf fossile Brennstoffe woanders die Ölpreise sinken und der Verbrauch entsprechend steigt?
Diese Fragen werden unter dem Stichwort „Carbon Leakage“ diskutiert – eine Debatte, die noch deutlich breiter geführt werden muss. Denn im schlimmsten Fall vertreibt die saubere Klimapolitik Europas den schmutzigen Teil der Wirtschaft in andere Weltregionen. Dem Klima wäre damit nicht geholfen, und die EU wäre ein Anführer ohne Gefolgschaft. Die Kommission wird viel Mühe haben, ihre Antworten auf diese Fragen zu verteidigen.
Das ist nun die Aufgabe des Parlaments und der Mitgliedstaaten: darauf zu achten, dass die Transformation die Menschen nicht zu sehr belastet, dass sie Unternehmern mehr Chancen bietet als nimmt, dass Subventionen dahin fließen, wo sie wirklich einen Nutzen haben. Und auch wenn aus den Vorschlägen in etwa zwei Jahren Gesetze entstanden sind, müssen ihre Effekte genau beobachtet werden, um bei Bedarf Korrekturen vornehmen zu können.
Zur Not muss die EU den Unternehmen die Umstellung auf klimafreundliche Technologie auch bezahlen. Denn wenn die EU mit ihrem Ansatz scheitert, werden es andere gar nicht erst versuchen. Wenn sie hingegen erfolgreich ist, kann sie andere mitziehen.
Viele Volkswirtschaften sind in den vergangenen Jahren gewachsen, ohne dass ihr CO2-Ausstoß mitgewachsen wäre. Das macht Mut, den Kampf gegen den Klimawandel doch noch führen und gewinnen zu können. Die Zeit drängt: Zu viele Chancen hat die Weltgemeinschaft bereits verstreichen lassen.
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