Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

19.12.2022

17:23

Kommentar

Deutschland braucht beim Blick auf Afrika mehr Pragmatismus

Von: Wolfgang Drechsler

Seit Russland als Energielieferant weggefallen ist, rückt Afrika wieder mehr in den Blick der globalen Wirtschaft. Während Europa mit seiner Entwicklungshilfe hadert, schafft China Fakten.

Die Außenministerin besuchte die Skills Academy der Bauindustrie in Abuja. dpa

Außenministerin Annalena Baerbock besucht Nigeria

Die Außenministerin besuchte die Skills Academy der Bauindustrie in Abuja.

Lange Jahre war Afrika in der deutschen Politik und Öffentlichkeit wenig mehr als eine Fußnote. Das Augenmerk lag auf den Umbrüchen in Osteuropa, dem islamistischen Terrorismus und vor allem dem Aufstieg Chinas. Wenn überhaupt, spielte Afrika als Quelle unkontrollierter Flüchtlingsströme eine Rolle im politischen Diskurs.

Doch spätestens seit dem Ukrainekrieg und dem damit verbundenen Ausfall Russlands als Energielieferant hat sich das Bild drastisch gewandelt. Plötzlich gilt ausgerechnet der wirtschaftlich zurückgefallene Kontinent im Süden mit seinem Reichtum an Rohstoffen als neuer Hoffnungsträger – sowohl als Energielieferant wie auch als möglicher Absatzmarkt.

Eine überarbeitete neue Afrikastrategie soll die Beziehungen zu Afrika und seinen 1,3 Milliarden Menschen nun auf eine neue Grundlage stellen. Das Ziel: erstens Konsequenzen aus dem Scheitern der bisherigen Entwicklungspolitik zu ziehen. Und vor allem zweitens: China, das in den letzten 20 Jahren in Afrika beispiellos expandierte und zum mit Abstand größten Einzelinvestor und Handelspartner aufgestiegen ist, Paroli zu bieten.

Der Unterscheid in den Strategien beider Länder könnte größer kaum sein: Während China als Gegenleistung für Afrikas Rohstoffe dort massiv Infrastrukturprojekte vorantreibt, sich dabei aber nicht in die internen Belange der Länder einmischt, scheint die neue deutsche Afrikastrategie den eigenen Fokus weit stärker auf die Menschenrechte und eine „Partnerschaft unter Gleichen“ zu legen.

Bezeichnenderweise spricht die Afrikastrategie von einer vertieften „Reflexion der Folgen der Kolonialzeit“ – ein Thema, das auch Außenministerin Annalena Baerbock auf ihrer gegenwärtigen Nigeriareise betonte.

Absicherung der Unternehmensrisiken durch den Staat

In diesem Zusammenhang steht auch das neue Lieferkettengesetz, das es deutschen Unternehmen ab Anfang Januar zur Auflage macht, in Afrika strikt deutsche Standards einzuhalten – eine herkulische Aufgabe, die in der Vergangenheit nicht einmal der deutsche Staat bei seinen Hilfsprojekten im Rahmen der Entwicklungshilfe erfüllen konnte. Dabei ist es eine Binse, dass immer mehr Regulierung am Ende nur Investitionen verhindert, zumal wenn die Konkurrenz davon verschont ist. Dass noch immer kaum zwei Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen nach Afrika gehen, ist eben kein Zufall.

Pragmatischer wäre es, zumindest einen Teil der hohen Unternehmensrisiken in Afrika staatlich abzusichern. Zu diesem Zweck könnten auch Entwicklungsgelder eingesetzt werden, deren Verwendung für privatwirtschaftliche Zwecke bislang jedoch als Sakrileg gilt.

Notwendig wären beim Blick auf Afrika deshalb mehr Balance und vor allem Pragmatismus. Zumal die westlichen Unternehmen dort bereits jetzt oft als vorbildliche Arbeitgeber gelten – im Gegensatz zur chinesischen Konkurrenz, die für eher lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne bekannt ist. Ein Indiz dafür ist, dass der Tonfall in Afrikas politischer Debatte gegenüber China zuletzt spürbar rauer geworden ist, auch weil China beim Schuldenerlass knausert.

Daneben fordert die neue deutsche Afrikastrategie, grüne Energieträger wie Wasserstoff bevorzugt zu fördern. Die jüngste Namibiavisite von Wirtschaftsminister Robert Habeck war ein Hinweis darauf. Doch auch hier sollte man sich vor zu viel Ideologie hüten. Etwa dadurch, den Afrikanern die Finanzierung ihrer eigenen (und dringend benötigten) fossilen Energieprojekte zu verweigern, wie dies ab 2023 geplant ist.

So attraktiv der Gedanke einer von Menschenrechten und grüner Energie geleiteten Afrikapolitik auch sein mag, so falsch sind die Erwartungen dahinter: Investitionsentscheidungen werden nicht von ehrgeizigen Regierungsplänen, sondern von anderen Faktoren bestimmt: Dazu gehören eine adäquate Marktgröße, Rechtssicherheit, wenig Korruption und vor allem funktionierende Verwaltungen und Gerichte, wie sie in Afrika die Ausnahme sind.

Gerade beim Aufbau der für die Entwicklung eines Landes so wichtigen Institutionen sollte die deutsche Afrikapolitik viel offensiver agieren. Zumal Chinas Afrikapolitik grade hier beträchtliche Lücken hat.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×