Solange Europa Energie aus Russland kauft, kann der Westen Indiens Ölgeschäfte kaum kritisieren. Ärmere Länder dürfen nicht unter den Sanktionen leiden.
Narendra Modi und Olaf Scholz
Der globale Süden leidet – ohne etwas dafür zu können – besonders stark unter den Folgen des Kriegs.
Bild: Getty Images
Wer Russland für den Angriff auf die Ukraine bestrafen will, kann an Indien leicht verzweifeln. Während der Westen seine Ölgeschäfte mit Russland zurückfährt, weitet der 1,4 Milliarden Einwohner große Staat seine Importe von russischen Energieträgern aus. Das in der EU heftig diskutierte Ölembargo droht schon vor dem eigentlichen Start zu scheitern, wenn das energiehungrige Schwellenland in Südasien als Ersatzkäufer einspringt.
Die Enttäuschung darüber ist verständlich. Schließlich macht es einen opportunistischen Eindruck, ausgerechnet jetzt zu einem neuen Topkunden Russlands aufzusteigen, nur weil das Ural-Öl gerade vergleichsweise billig zu haben ist.
Doch nach einer Rechtfertigung muss Indien nicht lange suchen: Die Regierung in Neu-Delhi verweist zu Recht darauf, dass ihre Importe aus Russland immer noch nur einen Bruchteil von den milliardenschweren Gasgeschäften ausmachen, die Europa mit den russischen Energiekonzernen betreibt – allen voran Deutschland.
Solange der Westen selbst nicht bereit ist, seine fortlaufenden Zahlungen an Russland zu stoppen, kann er auch Indien aus den Überweisungen Richtung Moskau keinen Vorwurf machen. Die reichen Industrieländer haben jedenfalls einen um ein Vielfaches größeren Spielraum, schmerzhafte Einschnitte durch ein Embargo hinzunehmen: Deutschlands Pro-Kopf-Einkommen ist 20-mal so groß wie das Indiens.
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Nichtsdestotrotz leidet der globale Süden – ohne etwas dafür zu können – besonders stark unter den Folgen des Kriegs. Während steigende Energie- und Lebensmittelpreise in Europa ein Ärgernis darstellen, sind sie in Ländern wie Indien für Hunderte Millionen Menschen existenzbedrohend. Dass die Regierung dort jede Gelegenheit nutzt, um den wirtschaftlichen Schock abzufedern – und deshalb auf das verbilligte Öl aus Russland umschwenkt – braucht niemanden zu wundern.
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Um Russland dennoch von den Geldzuflüssen abzuschneiden, wird in den USA nun die Ausweitung sogenannter sekundärer Sanktionen diskutiert. Sie würden nicht nur auf Russland selbst abzielen, sondern auch auf Unternehmen anderer Länder, die mit Russland Geschäfte machen.
Es ist gut möglich, dass sich damit die Zahl der russischen Tanker vor der indischen Küste reduzieren ließe. Doch mit Zwang macht sich der Westen sicherlich keine Freunde. Anstatt ein befreundetes Land enger an sich zu binden, riskiert er, es ganz zu vergraulen.
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