Dass die EU im Fall Belarus schnell neue Sanktionen verhängt, zeigt: Sie lernt aus vergangenen Krisen. Sie sollte nun auch trotz des Rechtsstaatlichkeitsstreits an Polens Seite stehen.
Der europäischen Außenpolitik kann man regelmäßig vorwerfen, nun ja, peinlich zu sein. Das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außenpolitik hat Brüssel in der Vergangenheit oft handlungsunfähig gemacht; innereuropäische Differenzen nutzen andere Staaten gern aus, um die EU zu ihrem Spielball zu machen. Schurkenstaaten dürften sich ob des europäischen Strauchelns, Rückziehens oder gar Umfallens königlich amüsieren.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erlebt vermutlich gerade eine Schmierenkomödie mit einer Genugtuung der ganz besonderen Art. Schließlich war er es, der den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zu seinem aktuellen Vorgehen inspirierte, aus Rache Flüchtlingsströme gezielt Richtung EU zu treiben. Und durch Transitflüge aus Istanbul ist er sozusagen zu einem von Lukaschenkos Hauptlieferanten geworden.
Dass die EU nun im Falle Belarus so entschieden handelt und umgehend neue Sanktionen, zum Beispiel gegen Airlines und Transitländer, auf den Weg bringt – obwohl sie zum Beispiel für Irland mit negativen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden sind –, zeigt: Die europäischen Hauptstädte lernen vielleicht doch so langsam aus vergangenen Krisen. Und es zeigt auch, dass es Brüssel mit Russland und der Türkei endgültig reicht.
Dass die Situation mit den Flüchtlingen derzeit ausgerechnet im polnischen Grenzgebiet eskaliert und nicht im litauischen oder lettischen, ist kein Zufall: Lukaschenko weiß um den Streit der EU mit Polen. Da Warschau sich weigert, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und das EU-Recht als übergeordnet anzuerkennen, will Brüssel die Zahlung von EU-Geldern stoppen, um Druck auszuüben.
Die EU-Kommission verweigert es deswegen auch, die Polen bei dem Aufbau eines massiven Grenzsicherungssystems zu unterstützen – zumal niemand genau weiß, was im Grenzgebiet vor sich geht. Polen gewährt der EU-Grenzschutzagentur Frontex keinen Zugang.
Lukaschenkos Vorgehen ist also eine gezielte Destabilisierungsmaßnahme, für die innereuropäischer Streit machtstrategisch ausgenutzt wird. Deswegen sollte die EU zeigen, dass sie uneingeschränkt auf Polens Seite steht und dass Belarus und seine Unterstützer mit der Sache nicht durchkommen – auch wenn Warschaus Verhalten natürlich nicht gutzuheißen ist.
Geschieht das nicht, ist eine der letzten Generalproben, der Welt zu zeigen, dass die EU doch eine entschlossene Außenpolitik betreiben kann und man sich besser nicht mit ihr anlegen sollte, wieder einmal schiefgelaufen.
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