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08.09.2021

04:03

Den Banken läuft bei der Digitalisierung die Zeit davon. dpa

Frankfurt

Den Banken läuft bei der Digitalisierung die Zeit davon.

Kommentar

Die Coronakrise geht, die Probleme der Banken sind noch da

Von: Kathrin Jones

Die Pandemie hat die Finanzinstitute in den Krisenmodus gezwungen und strukturelle Schwächen überlagert: Minigewinne, hohe Kosten und mangelnde Ideen für die Zukunft.

Die gute Nachricht vornweg: Die Coronakrise hat nicht zu einer Bankenkrise geführt. Das mag immer noch eine Momentaufnahme sein. Die Endabrechnung kommt, wenn auch die letzten staatlichen Hilfen für die Wirtschaft ausgelaufen sind. Doch de facto hat sich das bestätigt, was Banken und Sparkassen mit Beginn der Pandemie vor anderthalb Jahren unisono betonten: Sie waren Teil der Lösung. Sie stellten – ebenfalls mit dem Staat im Rücken – neue Kredite zur Verfügung, wo Liquidität dringend gebraucht wurde und stundeten dort, wo Verbraucher in Zahlungsnöten waren. Das alles war möglich, weil die Geldhäuser mit mehr Eigenkapital in die Coronakrise hineingegangen waren als in der Finanzkrise 2007/2008. Und auch, weil die Regulierer die Zügel vorübergehend gelockert haben.

Ist jetzt alles gut? Nein.

Denn zur Wahrheit gehört auch, dass die Coronakrise viele Schwächen gerade der deutschen Finanzinstitute verdeckt hat: die geringe Profitabilität, die hohen Kosten, die schleppende Digitalisierung, die Halbherzigkeit beim Thema Nachhaltigkeit und Green Finance. Die Banken und Sparkassen waren im Krisenmodus, mussten schnelle Entscheidungen treffen, ihre Organisation am Laufen halten und sich um ihre Mitarbeiter im Homeoffice kümmern. Für strategische Fragen blieb wenig bis keine Zeit.

Jetzt, da Corona in den Hintergrund rückt, zumindest aber unter Kontrolle scheint, heißt es: aus der Defensive kommen und sich um die Zukunftsfragen kümmern. Das ist dringend geboten, und zwar aus zweierlei Gründen:

Erstens werden die Aufseher dafür sorgen, dass die wegen der Pandemie verschobenen strengeren Kapitalregeln unter dem Namen Basel IV bald schrittweise eingeführt werden. Es gibt keinen Grund, das Projekt noch einmal in die Schublade zu legen. Im Gegenteil: In der jüngsten Krise hat sich gezeigt, dass eine dicke Kapitaldecke der beste Schutz ist. Die absehbare Verschärfung setzt die Bilanzen der Geldhäuser aber noch einmal zusätzlich unter Druck.

Zweitens läuft dem „Establishment“ bei der Digitalisierung die Zeit davon. Rund um den Globus entstehen neue Anbieter, die in die Welt der Finanzen eindringen. Es ist offensichtlich, dass die Menschen die Bank als Ankerpunkt in ihrem Leben immer seltener brauchen: Im Internet wird mit Paypal, Klarna und Co. bezahlt, an der Supermarktkasse inzwischen mit der Apple-Watch. Das wenige Bargeld, das man noch braucht, kann man dann gleich mit abheben. Wer sein erstes Einkommen an der Börse anlegt, geht zu kostengünstigen Neobrokern wie Trade Republic und Scalable Capital, für die Festgeldanlage surft man auf Zinsplattformen wie Raisin DS opportunistisch nach den besten Angeboten. Vielleicht führt der Immobilienkauf noch in die Filiale. Aber die ersten Maklerhäuser tüfteln schon an einem eigenen Hypothekengeschäft. Der Kredit könnte auch hier zum Beiprodukt werden, fast wie beim Autokauf.

Die Hausbank fürs Leben hat ausgedient

Es mag ein Trost sein, dass die Deutschen sich mit technischen Neuerungen allgemein schwerer tun als so manche Nachbarn in Europa. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass auf dem Kontinent insgesamt eine Generation von Kunden heranwächst, die maximal flexibel, manche sagen sprunghaft, vor allem aber sehr anspruchsvoll ist. Die Hausbank fürs Leben, die in Sachen Kundenbindung nie viel tun musste, hat ausgedient, zumindest wenn sie die hohen Ansprüche nicht bedienen kann.

Investoren haben das längst erkannt. Anders lässt sich nicht erklären, dass die großen börsennotierten Banken in Deutschland in ihrer Bewertung seit Jahren auf der Stelle treten, während Fintechs inzwischen auch hierzulande Rekordsummen in Finanzierungsrunden einsammeln. Im ersten Halbjahr 2021 waren es gut zwei Milliarden Euro, doppelt so viel wie vor einem Jahr. Viele der Firmen sind auf dem Weg an die Börse – und dann dürfte sich der Wettlauf um die Gunst der Anleger und der Kunden noch einmal verschärfen. Das kann nur gut sein.

Mehr Mut zur Ehrlichkeit

Die etablierten Banken müssen sich nun entscheiden. Wollen sie der Konkurrenz das Feld überlassen oder greifen sie an? Dazu würde eine ehrliche Bestandsaufnahme gehören, welche Filialen, welche verkrusteten IT-Systeme und wie viele Mitarbeiter man sich in Zukunft noch leisten will und kann, und wie viel Geld umgekehrt in Innovationen fließen soll. Warum nutzt man das Wissen über den Kunden nicht gezielter, etwa mit Künstlicher Intelligenz, um ihn mit maßgeschneiderten Angeboten bei wichtigen Alltagsthemen – Immobilie, Altersvorsorge, Steuererklärung – zu beraten und abzuholen und sich damit unabdingbar zu machen? Und natürlich gehört die Frage dazu, welche Partnerschaften mit Fintechs sich möglicherweise lohnen – getreu dem Motto: Wenn du deinen Feind nicht besiegen kannst, dann verbünde dich mit ihm.  

Der Wandel der Branche ist überfällig, die Coronakrise hat noch einmal wertvolle Zeit gekostet. Wenn der berühmte Satz von Bill Gates – „Banking is necessary, banks are not!“ – sich nicht bewahrheiten soll, dann ist jetzt schnelles Handeln angesagt.

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