Es wäre kleingeistig, das Virus für eine Ökonomiedebatte zu nutzen: Es ist blind für Wirtschaftssysteme und trifft China ebenso wie die USA. Unterschiede liegen ganz woanders.
Blick aufs Reichstagsgebäude
Die Bundesregierung hat sich in der Krise von ihrer lange verteidigten schwarzen Null verabschiedet.
Bild: AP
Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie zeigen die verantwortlichen Krisenmanager ein gesundes Maß an Pragmatismus. Die Union hat sich in wenigen Tagen von ihrer eisern verteidigten schwarzen Null verabschiedet. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stellen sich auf mögliche (Teil-)Verstaatlichungen ein.
Auf diesen Entscheidungen wollen einige nun ihr ideologisches Süppchen kochen. Die Tageszeitung „taz“ ruft wegen der staatlichen Maßnahmen die „Corona-Dämmerung für den Neoliberalismus“ aus. Und Juso-Chef Kevin Kühnert erklärt in großzügiger Pose, dass Triumphgeheul fehl am Platze sei. Der Hinweis, dass er bereits vor der Krise die Vergesellschaftung von Konzernen ins Spiel gebracht hat, sei „kleingeistig“.
Kleingeistig ist vor allem der Versuch, aus der Coronakrise eine grundsätzliche Ökonomiedebatte loszutreten. Der massive staatliche Eingriff mit einem 1,2-Billionen-Euro-Rettungspaket ist eine Notfallmaßnahme. In Krisenzeiten mit einer massiven Störung der Wirtschaft kommt es auf den Staat als handlungsfähigen Akteur an. Das ist allerdings weder eine neue Erkenntnis noch sonderlich umstritten.
Selbst in den USA, des Sozialismus unverdächtig, hat man während der Finanzkrise ohne großes Zaudern Banken verstaatlicht. Und auch jetzt setzt man hier wieder auf den Staat, wie das gigantische Konjunkturpaket zeigt. Insofern gehen die vielen hämischen Kommentare in Richtung liberaler Ökonomen und Politiker, warum der Markt es denn in der Coronakrise nicht regle, an der Sache vorbei. Was da unterstellt wird, hat niemand je behauptet.
Der entscheidende Punkt ist: Aus den Maßnahmen in einer Krisensituation lassen sich wenig Schlüsse für den Normalzustand ziehen. Der staatliche Eingriff, einhergehend mit massiver Verschuldung, ist derzeit gerechtfertigt, um einen dauerhaften Schaden für Wirtschaft und Wohlstand abzuwehren.
Das bedeutet aber nicht, dass er dauerhaft der Wohlstandsmehrung dienen könnte. Eine Ausnahme darf hier so wenig die Regel werden wie bei den Ausgangsbeschränkungen.
Trotzdem breitet sich derzeit das merkwürdige Ansinnen aus, in der Coronakrise einen Erkenntnisgewinn oder gar Nutzen in Bezug auf die Wirtschaftspolitik zu suchen. Da wird in einer Karikatur der „Süddeutschen Zeitung“ das „Covid-19“ als Stein in den Zahnrädern des „Turbokapitalismus“ gezeichnet.
Und grüne Aktivisten sinnieren über die positiven Auswirkungen der Pandemie für den Klimaschutz. Da wird das Virus dann zur Rache der Natur an der globalisierten Wirtschaftswelt so wie einst Seuchen als Strafe Gottes gedeutet wurden. Das ist zynisch angesichts der Todesopfer, und zynisch gegenüber denjenigen, die als Unternehmer Existenzängste haben oder die als Arbeitnehmer um ihren Job fürchten müssen.
Diese Krise sollte nicht für eine Abrechnung mit der Wirtschaftspolitik instrumentalisiert werden, weil der Anlass durch das Virus erkennbar nicht-ökonomischer Natur ist. Anders als in der Finanzkrise, die tatsächlich ein ungesundes Maß an Deregulierung und ein Fehlverhalten in der Bankenbranche offenlegte.
Das Coronavirus ist hingegen blind für Wirtschaftssysteme, es trifft China wie die USA. Unterschiede zeigen sich in der Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme. Und das deutsche schneidet trotz unbestreitbarer Probleme nicht so schlecht ab.
Anders als die Kritiker meinen, deckt die Coronakrise nicht Fehler der sozialen Marktwirtschaft auf, sondern zeigt deren Stärke. Nach Jahren des Aufschwungs und der schwarzen Null hat der Staat nun alle Finanzkraft gegenzusteuern und gigantische Rettungspakete für die Wirtschaft zu schnüren. Das soziale Netz ist stabil, die Kassen der Bundesagentur für Arbeit sind gut gefüllt, um mit Kurzarbeitergeld mögliche Massenentlassungen zu vermeiden.
Und nicht nur der Staat funktioniert, sondern auch bei vielen Unternehmen klappt es. Autohersteller wie Volkswagen prüfen die Produktion von medizinischem Gerät, Brauereien stellen Reinigungsalkohol her und verschenken ihn als Desinfektionsmittel an Krankenhäuser, Textilunternehmen schalten von Mode auf Mundschutz um.
Hier zeigt sich nicht nur Flexibilität und Leistungsfähigkeit privater Unternehmen, sondern auch gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein. Dass es bei allen positiven Beispielen auch negative Ausreißer gibt wie etwa der Sportartikelkonzern Adidas, der ein Gesetz für existenzbedrohte Kleinmieter ausnutzt, um trotz Milliardengewinn seine Mietzahlungen zu streichen, ist kein systemisches Problem. Das Schöne an einer Marktwirtschaft ist, dass Kunden so ein Verhalten sanktionieren können. Der Imageschaden ist für Adidas jetzt schon größer als jede Mietersparnis.
Trotz aller Probleme und Unzulänglichkeiten, die in solch einer Krise auftreten, bleibt unterm Strich festzuhalten: Bisher zeigt sich bei Corona nicht nur die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland, sondern auch des Wirtschaftssystems.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)