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03.05.2021

10:25

Kommentar

Die EU-Industriepolitik darf nicht zum staatlichen Mikromanagement werden

Von: Till Hoppe

Es ist richtig, dass die Europäische Union eine aktivere Industriepolitik betreibt, sie wandelt dabei aber auf einem schmalen Grat.

Europaflaggen wehen vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Die Europäische Union betreibt eine aktivere Industriepolitik. dpa

Europäische Kommission

Europaflaggen wehen vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Die Europäische Union betreibt eine aktivere Industriepolitik.

Die alten Glaubenssätze in der Weltwirtschaft, sie gelten so nicht mehr. Je mehr globale Arbeitsteilung, desto besser? Das ist riskant angesichts von Pandemien und angesichts verletzlicher Handelsrouten wie dem Suezkanal. Ein Staat, der sich aus dem Markt weitestmöglich heraushalten und Unternehmer machen lassen sollte? Das ist zu wenig, wenn Länder wie China ihre Industrien hochpäppeln und wirtschaftliche Abhängigkeiten als politisches Druckmittel einsetzen.

Es ist deshalb richtig, dass Deutschland und die Europäische Union sich ein Stück weit vom marktliberalen Mantra verabschieden und eine aktivere Industriepolitik betreiben als zuletzt. Und doch wandeln sie auf einem schmalen Grat. Der Weg einer gezielte Förderung bestimmter Technologiefelder mag da sinnvoll sein, wo Europas Industrie abgehängt ist und die Politik obendrein erpressbar wird. Aber links und rechts davon lauern die Abgründe des staatlichen Mikromanagements und der Subventionswettläufe.

Die neue Industriestrategie der EU-Kommission verdeutlicht das exemplarisch. Sie sieht ein systematisches Monitoring der strategischen Abhängigkeiten Europas von anderen Regionen vor. Für 137 Produkte, in erster Linie Rohstoffe und pharmazeutische Wirkstoffe, hat die Brüsseler Behörde problematische Abhängigkeiten identifiziert. Auch bei Mikrochips und Cloud-Computing sieht die Kommission die EU schlecht aufgestellt. Und will nun jeweils Abhilfe schaffen.

Nicht jede Abhängigkeit an sich aber ist problematisch und muss abgestellt werden. Auch dann nicht, wenn der Handelspartner kein einfacher ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Europäer eigene Druckmittel an der Hand haben. In Chinas Fabriken würden schnell die Lichter ausgehen, wenn deutsche Maschinenbauer keinen Techniker mehr für die Wartung der Anlagen schickten.

Keine Bonanza für globale Konzerne

Autarkie kann daher nicht das Ziel sein. Ebenso wenig ist es in erster Linie die Aufgabe von nationalen Regierungen und Brüsseler Behörden, für Abhilfe zu sorgen. Unternehmen sind meist allein in der Lage, ihre Lieferketten krisenfester aufzustellen und nötige Investitionen zu schultern. Sie brauchen dafür keine Hilfe des Steuerzahlers.

Geopolitisches Kräftemessen und industriepolitischer Tatendrang dürfen nicht in eine Bonanza für globale Konzerne münden. Wie groß diese Gefahr ist, zeigt das Beispiel Intel: Acht Milliarden Euro an Fördergeldern fordert der US-Chiphersteller als Bedingung für neue Fabriken in Deutschland.

Schließlich, so das Argument, bekomme ein Halbleiterhersteller auch in Taiwan und Südkorea 40 Prozent der Kosten vom Staat erstattet. Wer sich auf ein solches Wettbieten einlässt, sollte dies seinen Steuerzahlern zumindest gut erklären können.

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