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18.08.2021

16:10

Kommentar

Die staatliche Stütze für die Autozulieferer wird nichts bringen

Von: Martin-W. Buchenau

Die staatliche Milliardenspritze für die Unternehmen kommt zu spät, kann unternehmerische Fehler nicht ausgleichen und wird die Bürokratie überfordern.

Das Logo des Unternehmens steht vor der Zentrale des Automobilzulieferers "Hella". dpa

Zentrale des Automobilzulieferers Hella in Lippstadt

Das Logo des Unternehmens steht vor der Zentrale des Automobilzulieferers "Hella".

Der Staat will mit einem „Zukunftsfonds“ von einer Milliarde Euro die Autozulieferindustrie retten. Sicher gibt es viele kleinere Autozulieferer, die immer nur auf den Verbrennungsmotor ausgerichtet waren, weil ihre Kunden es so wollten. Auch haben diese kleineren Zulieferer nicht genug Geld und entsprechendes Personal, um statt Einspritzdüsen und Zylinderkopfdeckeln jetzt plötzlich Sensortechnik und Software herzustellen. Starthilfe können sie ganz sicher gebrauchen. Die Not ist groß. Aber ist die Not wirklich unverschuldet wie etwa das Hochwasser in der Pfalz?

Eine Milliarde Euro kann jahrzehntelange Fehlentwicklungen nicht ändern, allenfalls punktuell lindern. Aber welcher verwaltungstechnische Aufwand ist damit verbunden? Wie kompliziert ist das Genehmigungsverfahren für die Unternehmen? Was kommt bei den Unternehmen am Ende überhaupt an? Und vor allem: Wie wollen Bürokraten entscheiden, welche Elektrokomponente für welchen Zulieferer passt?

Selbst wenn Kompetenzcenter mit Fachleuten Konzepte ausarbeiten, ersetzt das nicht unternehmerisches Handeln. Im Einzelfall mag es helfen. Soll es vielen helfen, ist eine Milliarde Euro für eine solch große Schlüsselindustrie ohnehin zu wenig.

Niemand hat Robert Bosch dabei geholfen, vor 115 Jahren in die USA zu gehen. Er hat es gewagt, und mit seinen Magnetzündern wuchs er dort schneller als Daimler damals mit seinen Autos in Deutschland. Staatliche Stütze kann keinen unternehmerischen Spirit ersetzen, zumal selbiger vielen in den fetten Jahrzehnten des Verbrennungsmotors abhandengekommen zu sein scheint.

Nach einer Studie des Verbands der Automobilindustrie (VDA) hat ein Großteil der Zulieferer erst ab 2018 angefangen, sich mit der Transformation ernsthaft zu beschäftigen.

Viele Firmen haben den technologischen Wandel verschlafen

Wenn Eberspächer jahrzehntelang gutes Geld mit Auspuffanlagen verdient hat, dann muss die Frage erlaubt sein: Warum hat sich das Unternehmen mit immerhin fünf Milliarden Euro Umsatz erst so spät und nicht schon vorher stärker um Umsätze in Zukunftstechnologien bemüht, die nicht mit dem Verbrennungsmotor verbunden sind? Ähnliches muss sich auch der Filterspezialist Mann+Hummel vorwerfen lassen, ebenso wie Gießereien oder Kolben- und Zylinderhersteller oder deren Unterlieferanten. Es gibt ja durchaus auch Beispiele von kleineren Unternehmen, die rechtzeitig umgestellt haben.

Dass gerade kleinere Zulieferer den Autoherstellern ausgeliefert sind, mag allenfalls das harte Urteil mildern. Der Kellner ist nun nicht der Koch. Die verzögerte Selbstfindung der Autobosse zur Elektromobilität wird vielen Zulieferern die Existenz kosten.

Es ist ja auch nicht einfach, wie beispielsweise der Dichtungsspezialist Elring & Klinger zeigt. Der hat früh Dutzende Millionen in Batterietechnik und Brennstoffzelle investiert. Der Börsenkurs ging ob der schrumpfenden Gewinne auf Talfahrt. Aber jetzt hat der schwäbische Mittelständler immerhin etwas mitzubringen auf die Elektroparty, während andere auf Stütze vom Staat hoffen müssen, um noch den Anschluss zu gewinnen.

Elring-Chef Stefan Wolf, inzwischen Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, hat bereits vor Jahren die eigene Branche gewarnt, als er sagte: „Wer jetzt noch nicht in Zukunftstechnologien investiert hat, wird es nicht mehr schaffen. Es ist zu spät.“ Und das ist es auch für die jetzt geplante Adrenalinspritze für die Autozulieferer. Denn die wichtigen großen Elektroaufträge werden in diesem Jahr vergeben.

Befreiungsschläge wie Faurecias Übernahme von Hella sind teuer und werden nur den mittelgroßen Autozulieferern mit entsprechender Finanzkraft gelingen. Und selbst da auch nicht allen. Die Preise sind sehr hoch, und Firmen mit Zukunftstechnologien stehen nur wenige zum Verkauf. Auch bei den von allen Branchen in der Digitalisierung begehrten Softwarespezialisten werden kleine Zulieferer keine Chancen haben. Denn hier haben die Autobauer selbst den Trend verschlafen und kaufen mit Spitzengehältern den Markt leer. Auch an dieser Stelle hilft die Bundesmilliarde nicht.

Der Staat sollte den Unternehmen keine falschen Hoffnungen machen

Die kleinen Verbrennerzulieferer können – wenn es für sie gut läuft – noch zehn Jahre Geld mit ihren Produkten verdienen, sofern sie ihr Geschäftsmodell einem schrumpfenden Markt anpassen. Mit sinkenden Einnahmen können sie vielleicht überleben, aber nicht den Sprung in eine völlig andere Technologie schaffen. Der Staat sollte lieber ehrlich sein und den betroffenen Unternehmen mit Subventionen nicht auch noch falsche Hoffnungen machen.
Die Steuergelder wären besser für den zusätzlichen Ausbau der Infrastruktur angelegt, damit fehlende Ladesäulen die Elektromobilität nicht wieder abwürgen. Dann werden nämlich die Mutigen, die in Zukunftsprojekte investiert haben, auch noch bestraft.

Der Staat sollte sein Handeln an seinem Kunden orientieren – dem Steuerzahler. Selbst die Willigen, die auf Elektroautos umsteigen wollen, tun das nur, wenn sie ihr Auto unterwegs, aber vor allem auch daheim laden können.

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