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14.03.2022

20:43

Kommentar

Ein Boykott russischen Öls ist der richtige Weg

Von: Mathias Brüggmann

Deutschland sollte als nächsten Schritt den Kauf von russischem Öl stoppen, nicht von Gas. Der Druck auf Putin wäre ungleich größer und der Wechsel von Lieferanten leicht möglich

Deutschland sollte den Ölfluss einstellen. dpa

Erdölraffinerie PCK

Deutschland sollte den Ölfluss einstellen.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Sanktionen gegen Russland vorgeschlagen werden. Das Ziel, Russlands Wirtschaft so hart wie möglich zu treffen, solange Moskau seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht stoppt, ist richtig.

So ist es nachvollziehbar, dass der Westen neue Felder sucht, um Russland noch stärker unter Druck zu setzen. Doch das Ausweiten der Sanktionsfelder allein ersetzt keine Sanktionsstrategie. So muss in jedem Fall berücksichtigt werden, dass Sanktionen immer beide Seiten treffen – denjenigen, den die Strafen treffen sollen, und den, der sie verhängt.

Deshalb sollte in allen Überlegungen eine Hauptprämisse gelten: Die Folgen der Sanktionen müssen den Sanktionierten härter treffen als die Staaten, die sie aussprechen.

Das gilt auch für die Debatte um einen Boykott russischen Rohöls und Erdgases, wobei sich hier zeigt: Es ist klüger, zunächst das Öl zu boykottieren. Auch dieser Schritt fällt aus deutscher Sicht nicht leicht, ist aber verkraftbar – und trifft Russland noch härter als ein Stopp der Gasimporte.

Die USA haben bereits den Import von russischem Öl gestoppt. Allerdings ist das für die Amerikaner einfacher: Sie bezogen nur maximal acht Prozent ihres Ölbedarfs aus den eisigen Weiten Sibiriens. In Deutschland macht der Anteil mehr als ein Drittel aus. Bei Erdgas beträgt der Russlandanteil 55 Prozent, bei Steinkohle etwa 45 Prozent.

Ölsektor ist ein echter Markt mit Angebot und Nachfrage

Ohne Zweifel ist russisches Öl leichter zu ersetzen als die anderen Energieträger. Zudem ist der Ölsektor fast ein echter Markt mit Angebot und Nachfrage. Natürlich gibt es mit der Opec ein Exporteurskartell, aber dessen Macht ist längst erodiert. Selbst das Opec-Bündnis mit Russland und anderen (Opec plus) hat nicht den vollen Zugriff auf den Markt.

Die Förderung von Schieferöl oder das Aufmachen der Schleusen der 1,5 Milliarden Barrel strategischer Ölreserven in Europa und den USA ist ein wichtiges Korrektiv.

Der Markt ist auch deshalb in der Ölbranche stärker, weil der Anteil des Öltransports über Tanker bisher deutlich höher ist als über Pipelines. Im Gassektor ist es bisher noch andersherum. Deshalb sind die Ölmärkte flexibler, und beim Öl kann leichter von einem Lieferanten auf einen anderen Produzenten gewechselt werden.

Allerdings ist Deutschland vor allem an die russische Druschba(Freundschaft)-Leitung angebunden. Doch die jahrzehntelange Freundschaft mit Russland ist vorbei, seit Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat. Und deshalb sollte auch die Druschba-Öltrasse abgeschaltet, russisches Öl boykottiert werden.

Bindung an die Druschba-Röhre rächt sich

Es gibt noch ein weiteres Argument für einen Ölboykott: Mit der Lieferung von Rohöl und Ölprodukten hat Russland nach Angaben der dortigen Zollbehörde voriges Jahr 179,9 Milliarden Dollar erlöst. Beim Gas waren es nur 64,3 Milliarden Dollar. Ein Ölboykott würde Russland also stärker treffen.

Denn dabei rächt sich auch für Russland die Bindung an die Druschba-Röhre: Alternative Lieferungen, etwa nach China, lassen sich so kaum organisieren. Da bräuchte es eine neue Rohrleitung oder viele Tanker.

Sollte China seine Tanker nach Russland fahren lassen, dann werden große Fördermengen Rohöls im Mittleren Osten frei. Russisches Öl lässt sich also ersetzen, wenn auch etwas zeitverzögert und mit hohen Anlaufkosten.

Anders russisches Erdgas: Hier ist die deutsche Versorgung so stark auf das Riesenreich ausgerichtet, dass es sicher in den nächsten 18 Monaten nicht vollständig zu ersetzen sein wird. Und durch Energiemangel erzwungene Produktionsstopps und Pleiten, also ein schwerer Schlag für die größte Volkswirtschaft Europas, kann niemand derzeit ernsthaft wollen. Nicht einmal die Ukraine, die noch viel finanzielle Hilfe brauchen wird.

Einen Trumpf sollte man gegen Putin am Ende immer noch im Ärmel haben, das wäre dann der Gasverzicht.

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