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22.11.2022

15:45

Kommentar

In der Energiefrage zeigt sich Europa janusköpfig

Von: Wolfgang Drechsler

Während die EU Afrika lange drängte, sich von fossilen Brennstoffen zu lösen, kauft sie nun in Südafrika kräftig Kohle – eine Kehrtwende, die überraschen muss

Während die Europäische Union lange Zeit predigte, Afrika solle doch bitte erneuerbare Energien verwenden, kauft sie nun selbst Kohle am Kap. Reuters

Kohlekraftwerk in Südafrika

Während die Europäische Union lange Zeit predigte, Afrika solle doch bitte erneuerbare Energien verwenden, kauft sie nun selbst Kohle am Kap.

Wenn es um die eigene Energiesicherheit geht, werden hehre Vorsätze schnell zu Makulatur. Nichts zeigt dies besser als die drastische Kehrtwende, die die Europäische Union (EU) kürzlich gegenüber Afrika vollzogen hat: Hatte die EU den Nachbarkontinent im Süden jahrelang nicht selten etwas oberlehrerhaft dazu gedrängt, sich endlich von der Förderung fossiler Brennstoffe zu lösen und ganz auf grüne Energie zu setzen, so hat sich all dies seit dem Ausfall Russlands als verlässlicher Energielieferant grundlegend gewandelt.

Die Kehrtwende überrascht umso mehr, als die EU zusammen mit den USA und Großbritannien erst zu Jahresbeginn ein 8,5 Milliarden Dollar schweres Anreizprogramm für Südafrika aufgelegt hat, das dem Land den Übergang zu den Erneuerbaren ebnen und es ermuntern soll, das umweltschädliche Verbrennen von Kohle zu stoppen – welches bislang für rund 90 Prozent seiner Energieversorgung verantwortlich ist.

Doch statt mit gutem Beispiel voranzugehen, erhöht Deutschland nun seinerseits die Kohleimporte aus Südafrika: Bezog es 2021 rund eine Million Tonnen vom Kap, dürfte es in diesem Jahr wegen des Ausfalls russischer Kohle beträchtlich mehr sein.

Völlig übersehen wird zudem die vollkommen unterschiedliche Interessenlage: Während der Nachdruck im Westen darauf liegt, die eigene Energieversorgung sauberer zu gestalten, ist Afrika gegenwärtig vor allem darum bemüht, überhaupt erst einmal mehr Energie zu erzeugen. Sein derzeit extrem niedriger Energieverbrauch ist eine Folge der großen Armut – aber gleichzeitig auch ein wichtiger Grund dafür. Um endlich stärker zu wachsen, braucht Afrika viel mehr Energie als bisher – auch fossile Brennstoffe.

Doch genau dies versuchen die Industriestaaten zu verhindern: Auf der einen Seite importieren sie fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl für den Eigenbedarf aus Afrika oder Asien; auf der anderen Seite beschränken sie jedoch die öffentliche Finanzierung afrikanischer Gasprojekte für die Verwendung vor Ort.

Dabei strebt Afrika seinerseits nur einen gesünderen Energiemix an, als ihn Deutschland hat. Zumal die Erneuerbaren bereits jetzt vielerorts in Afrika durchaus mit Gas und Öl konkurrieren können: In 22 der 54 afrikanischen Länder sind sie derzeit die Hauptenergiequelle, darunter auch in Kenia.

Allerdings sind sich die Experten darin einig, dass die Erneuerbaren allein nirgendwo ausreichen werden, um Afrikas riesige Energielücke zu schließen. Dazu wird es, wie auch im von heftigen Stromausfällen geplagten Südafrika, noch für Jahrzehnte der Mithilfe fossiler Brennstoffe wie der am Kap massenhaft verfügbaren und leicht abbaubaren Kohle bedürfen.

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