Die USA stehen vor einer Blamage, weil viele Staaten Lateinamerikas nicht zum Amerikagipfel erscheinen. Die Region schaut stattdessen nach Peking. Ein Warnzeichen auch für Europa.
Alba-Gipfel auf Kuba
Die Staatschefs der Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerika · Handelsvertrag der Völker (ALBA) beim Gipfel der Organisation. Einige von ihnen wollen nicht am Amerikagipfel mit Biden teilnehmen, einige sind nicht eingeladen.
Bild: Zurimac Campos/Presidencia Venezuela/dpa
Drei Vizestaatssekretäre des US-Außenministeriums haben in den vergangenen Wochen Brasilien besucht – zum ersten Mal seit Präsident Joe Bidens Amtsantritt. Die US-Spitzenbeamten wollten Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro dazu bewegen, am „Gipfel der Amerikas“ in dieser Woche teilzunehmen. Zum ersten Mal seit 1994 wird Washington in Los Angeles wieder Gastgeber eines Amerika-Gipfels sein. Doch Lateinamerikas Regierungen zeigen Washington die kalte Schulter.
Mexikos Präsident kommt nicht, weil die Diktatoren in Nicaragua, Venezuela und Kuba keine Einladungen bekommen haben. Weitere Staaten in der Karibik und Südamerika haben abgesagt. Bolsonaro will jetzt nach vielem Zureden doch noch erscheinen. Sicher aber ist selbst das noch nicht.
Für die USA ist das alles eine empfindliche Schlappe: Die führende Weltmacht ruft zum Gipfel – und niemand kommt. Wir in Europa sollten das als Warnzeichen sehen. Uns könnte es bald ähnlich ergehen. Und das ist in einer zunehmend polarisierten Welt eine beunruhigende Entwicklung.
Wie die USA bieten auch wir Lateinamerika zu wenig an: Zu den drängendsten Themen der Region – Migration, Handel, wachsende Armut und Kriminalität – haben wir keine neuen Vorschläge oder gemeinsamen Projekte. Die Lateinamerikaner haben zudem genau registriert, dass Europa wie die USA der Region in der Pandemie kaum mit Vakzin-Lieferungen geholfen haben – im Gegensatz zu Russland und China.
Lateinamerikas Regierungen spüren derzeit ihre geopolitische Aufwertung durch die Ukrainekrise. Rohstoffexporteure wie Argentinien, Brasilien, Chile und Peru profitieren von den steigenden Preisen für Lebensmittel und industrielle Rohstoffe wie Metalle und Erze. Auch Erdölproduzenten wie Mexiko, Venezuela, Ecuador und Kolumbien erhalten mehr Geld für ihr Erdöl und Erdgas.
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Zudem begünstigt die weltweite Energiewende Südamerika. Die Staaten können in wenigen Jahren wichtige Lieferanten von grünem Wasserstoff werden – als Ersatz für Erdöl, Kohle und Erdgas. Sie produzieren auch wichtige Rohstoffe wie Lithium oder Kupfer, die für die Batterien der Elektromobilität entscheidende Rohstoffe sind.
Lateinamerikas geopolitisches Gewicht dürfte in einer polarisierten Welt wachsen: Jeder der Machtblöcke – die USA, China, Russland, die EU – wird versuchen, die Region oder zumindest deren größte Staaten als Partner für sich zu gewinnen. Die USA und Europa sollten sich nicht zu sicher sein, dass sie die bevorzugten Verbündeten sein werden.
So enthalten sich die Staaten Lateinamerikas teilweise der Sanktionen gegenüber Russland oder setzen sie nur halbherzig um. Die Präsidenten Brasiliens und Argentiniens besuchten noch kurz vor dem Ukrainekrieg den bereits isolierten russischen Präsidenten Wladimir Putin und drückten ihm ihre Solidarität aus.
China wiederum hat gerade Argentinien als neuen Partner beim Seidenstraßen-Projekt gewonnen. Argentinien ist das zwanzigste Land Lateinamerikas, das sich der chinesischen „Belt and Road Initiative“ (BRI) anschließt. Dafür will China in den kommenden Jahren 23 Milliarden Dollar in die Infrastruktur vor Ort investieren. Unter anderem auch in das vierte Atomkraftwerk des Pampa-Landes.
Für China sind vor allem die Partnerschaften mit großen Ländern im traditionellen Einflussbereich der USA diplomatische Erfolge. Damit setzt Peking die amerikanische Regierung unter Druck.
Und auch Europa wird sich auf eine wachsende Indifferenz Lateinamerikas einstellen müssen. Berlin, Paris oder Brüssel kritisieren gern die Mängel der Demokratien und fehlende Umweltstandards in Lateinamerika – während sie sich bei anderen Staaten, mit denen sie wirtschaftlich eng zusammenarbeiten, deutlich weniger daran stören.
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