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17.01.2021

17:20

Kommentar

Mit ihrer mangelnden Transparenz bei Impfstoffen schadet sich die EU selbst

Von: Hans-Peter Siebenhaar

Bei Einkauf und Zulassung von Impfstoffen muss die EU besser und schneller informieren. Ansonsten fördert sie unfreiwillig den Impfstoffnationalismus.

Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides verteidigt gerne die Impfstoffstrategie der EU mit Allgemeinplätzen. Zu konkreten Details verrät die Zypriotin nur wenig. dpa

EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides

Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides verteidigt gerne die Impfstoffstrategie der EU mit Allgemeinplätzen. Zu konkreten Details verrät die Zypriotin nur wenig.

Im Berlaymont, dem Sitz der EU-Kommission in Brüssel, steht seit vergangener Woche ein Lesesaal im Mittelpunkt des Interesses. Denn dort lässt Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides den Vertrag zwischen der EU und dem Pharmahersteller Curevac über die Lieferung von Impfstoffen gegen das Coronavirus auslegen.

Europaabgeordnete dürfen endlich mit Zustimmung des deutschen Unternehmens Einsicht in die teilweise geschwärzten Unterlagen nehmen. Das ist ein Novum für die EU-Exekutive, denn bislang konnten weder die Parlamentarier noch die Bürger konkrete Details über die Bestellung von 2,3 Milliarden Impfdosen erhalten.

Mit ihrer mangelnden Transparenz bei der Einkaufstour bei Pharmafirmen wie Biontech, Pfizer, Astra-Zeneca, Curevac, Sanofi oder Johnson & Johnson hat sich die EU-Kommission bislang einen Bärendienst erwiesen. Das Misstrauen bei Bürgern und Politikern über die Einkaufpolitik in Brüssel wächst. Sehr spät hat nun in der EU-Exekutive ein langsames Umdenken begonnen.

Die Transparenz im Fall des deutschen Vakzin-Herstellers Curevac kann nur ein Anfang sein. Die Offenlegung weiterer Verträge mit Pharmakonzernen muss folgen, um das Vertrauen in die EU-Exekutive zu stärken. Zentrale Fragen wie beispielsweise die Haftung für mögliche unerwartete Folgen der Vakzine sind noch immer unbeantwortet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich beispielsweise der amerikanische Pharmakonzern Pfizer als besonders resistent in den Verhandlungen mit Brüssel gezeigt hat.

Auch in der Zulassungspolitik gibt sich die EU-Kommission unverständlicherweise zugeknöpft. Statt frühzeitig zusammen mit der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) über Fortschritte zu informieren, sickern sehr wichtige Informationen quasi zufällig durch.

So erfuhren Europas Bürger zuerst durch die Mitteilungsfreude des Europaabgeordneten und Arztes Peter Liese auf einem Treffen der EVP-Fraktion mit Gesundheitskommissarin Kyriakides davon, dass der amerikanische Pharmakonzern Johnson & Johnson voraussichtlich schon im Februar einen Zulassungsantrag bei der Ema für einen Impfstoff stellen wird.

Einzelne Länder schlagen bereits Alarm

Sollte es mit der Zulassung schnell funktionieren, hätte die EU bereits in wenigen Wochen einen vierten Impfstoff zur Verfügung, der sich deutlich einfacher lagern und transportieren lässt als das Vakzin von Biontech und Pfizer.

Mit ihrer mangelnden Transparenz und ihrer eigenwilligen Informationspolitik schadet sich die EU-Kommission selbst. Denn die Defizite zur Erklärung einer gemeinsamen Einkaufspolitik stärken unfreiwillig einen möglichen Impfstoffnationalismus.

Länder wie Dänemark, Finnland, Schweden und die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben bereits wegen Lieferproblemen Alarm geschlagen. Der Druck auf die Regierungen in den 27 Mitgliedsländern wächst, notfalls auf eigene Einkaufstouren zu gehen, wenn Brüssel nicht den Nachschub mit Vakzinen sichert und über seine Einkaufspolitik offen informiert.

Die EU-Kommission muss schleunigst für vollständige Transparenz sorgen, wenn sie nicht weiteren Unmut über ihre bisherige Geheimkrämerei im Kampf gegen die Pandemie auf sich ziehen will.

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