Die Bundesregierung reagiert angemessen auf die Coronakrise. Doch noch fehlt eine europäische Strategie, wie die Vergemeinschaftung von Schulden.
Finanzminister Olaf Scholz
Aus der „Bazooka“ ist binnen einer Woche eine „Scholzooka“ geworden, eine 1,2-Billionen-Euro-Kanone.
Bild: dpa
Es ist erst eine Woche her, dass die Bundesregierung im Kampf gegen die Coronakrise ihre „Bazooka“ zückte. Nur wenige Tage später sieht diese „Bazooka“ aus wie eine kleine Schreckschusspistole.
Angesichts der dramatischen Lage der Wirtschaft fährt die Bundesregierung jetzt die ganz großen Geschütze auf: Sie spannt einen ultimativen Schutzschirm für die deutsche Wirtschaft, der zweifelsohne in die Geschichtsbücher eingehen wird.
Unter diesem Schutzschirm werden sich wohl bald nicht unwesentliche Teile der Wirtschaft wiederfinden. Namhafte größere Unternehmen dürften teilverstaatlicht, kleine Unternehmen sogar ausschließlich mit Staatshilfen über Wasser gehalten werden. Aus der „Bazooka“ ist binnen einer Woche eine „Scholzooka“ geworden, eine 1,2-Billionen-Euro-Kanone.
Wer Deutschland deshalb nun auf dem Weg in die Staatswirtschaft schlittern sieht, irrt. Dass die Bundesregierung zu noch vor wenigen Tagen für undenkbar gehaltenen Maßnahmen greift und alle ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Kräfte aufbietet, um den Schaden für die Volkswirtschaft so klein wie möglich zu halten, ist in dieser historischen Krise der einzige Weg.
Denn hinter den nackten Zahlen über wegbrechende Aufträge, einbrechende Steuereinnahmen und abstürzende Einzelhandelserlöse stehen Millionen von Einzelschicksalen.
Es geht um Menschen, die sich ihr Leben lang mit harter Arbeit eine Existenz aufgebaut haben. Und die es nicht verdient haben, dass diese nun ohne ihr eigenes Zutun von einem Virus vernichtet wird. Wenn dieses Land zusammenbleiben will, muss es jetzt zusammenhalten. Um nicht weniger geht es.
Das an diesem Wochenende geschnürte Rettungspaket wird dazu einen großen Beitrag leisten. Die Garantien, die Kredite, die Kapitalhilfen, all das wird ganz konkret dafür sorgen, dass Unternehmen, Selbstständige und Arbeitnehmer zumindest eine Zeit lang über Wasser gehalten werden können, auch wenn die Einbußen für viele zweifellos trotz der ganzen Hilfen sehr schmerzhaft sein werden.
Dass die Bundesregierung innerhalb weniger Tage einen so umfassenden Schutzschirm aufgespannt hat, ist aber nicht nur Ausdruck dieser unabdingbaren Solidarität in einer Demokratie, sondern verdeutlicht zugleich, wie handlungsfähig auch ein Föderalstaat wie der unsere in solch einer Lage sein kann.
Seit Jahren muss sich Deutschland Kritik am Krisenmanagement anhören. „Zu wenig, zu spät“ ist international ein geflügeltes Wort mit Blick auf die deutsche Finanzpolitik geworden. Diesen Vorwurf kann man der Bundesregierung in der Coronakrise sicher nicht machen. International hinterlassen die Krisenmaßnahmen mächtig Eindruck.
Auch hört die Regierung auf den Rat von Ökonomen und lernt aus Fehlern. So kann sich der Staat über den neuen Rettungsschirm besser an Unternehmen beteiligen als noch während der Bankenkrise. Damit wird es erheblich leichter, Staatsbeteiligungen später zu einem ordentlichen Preis wieder abzustoßen und die jetzt aufgenommenen Staatsschulden abzubauen, für die ja alle Steuerzahler geradestehen.
Vielleicht hat die Krise zumindest hier etwas Gutes: Sie bietet dem Staat die Chance, verloren gegangenes Vertrauen bei den Bürgern zurückzugewinnen.
National hat Deutschland damit alles in seiner Macht Stehende getan. Ein entscheidender Baustein in der Corona-Rettungsarchitektur fehlt aber noch: der europäische. Die Coronakrise geht nicht nur mit einem gleichzeitigen Angebots- und Nachfrageschock einher, bei dem Unternehmen in Produktionsschwierigkeiten geraten und die Bürger nicht mehr einkaufen.
In ihr verdichten sich darüber hinaus auch Krisen, die in den vergangenen Jahren ganz allein die Weltwirtschaft in Turbulenzen stürzten: Handelskonflikte, Grenzschließungen – und eben ein Wiederaufflammen der Euro-Krise.
In der vergangenen Woche stiegen die Zinsen für die Aufnahme neuer Schulden für einige Euro-Staaten deutlich an. Erst als die Europäische Zentralbank ihr riesiges Aufkaufprogramm ankündigte, beruhigte sich die Lage.
Diese Ruhe ist aber trügerisch. Ein so gebeuteltes Land wie Italien kann die Krise kaum aus eigener Kraft bewältigen. Der Euro-Raum muss daher ein eigenes Sicherheitsnetz aufspannen und so ausschließen, nach der Wirtschaft auch Staaten retten zu müssen.
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Eine Option wäre eine zeitlich und in der Höhe begrenzte europäische Vergemeinschaftung von Schulden nach dem Vorbild der Ölkrise 1974. Schneller umzusetzen und der Bevölkerung einfacher zu vermitteln wäre es aber wohl, über den Euro-Rettungsschirm langfristige, ohne große Auflagen versehene Kredite bereitzustellen, mit denen die Länder die Coronakrise bekämpfen können.
Europa hat in den vergangenen zehn Jahren viele Krisen überstanden: die Finanzkrise, die Euro-Krise, die Flüchtlingskrise, den Brexit. Es wäre doch wohl ein schlechter Witz, wenn der Euro nun an einem Virus zerbricht.
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