Zu oft schauen Politik und Gesellschaft auf die Sorgen großer Konzerne. Dabei verschwinden gerade unzählige Kleinstunternehmen – dadurch werden nicht nur Arbeitsplätze fehlen.
Protest der Bäcker
Auch im Kleinen entscheidet sich die Zukunft des Unternehmertums.
Bild: IMAGO/Michael Gstettenbauer
Die Reflexe funktionieren bei den großen Insolvenzen ganz gut, wie das Beispiel von Galeria Karstadt Kaufhof zeigt. Es geht um 18.000 Arbeitsplätze. Politik und Gewerkschaften wollen den Mitarbeitenden helfen, und: Es sind bereits 680 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Corona-Ausfälle geflossen. Also denkt man auch schnell über die nächste Rettungsstufe nach.
Im Verborgenen aber stellen sich derzeit viele Unternehmerinnen und Unternehmer die Frage, ob sie überhaupt noch weitermachen können. Bäcker, Friseure, Restaurantbetreiber sind mürbe; nach der Pandemie, durch die Bürokratie, den Fachkräfte- und Arbeitermangel, enorm gestiegene Preise für Energie und andere Rohstoffe sowie Inflationssorgen ihrer Kunden.
Dabei würde es sich lohnen, einmal genauer hinzuschauen: Kleinstunternehmer und Soloselbstständige sorgen laut Statistischem Bundesamt für zwölf Millionen Arbeitsplätze. Wenn nun 40 Prozent der Gastronomen und 20 Prozent der Einzelhändler ernsthaft über Geschäftsaufgaben nachdenken, sollte das Politiker und Gesellschaft genauso alarmieren wie eine drohende Galeria-Pleite.
Denn damit sind nicht nur Arbeitsplätze gefährdet, was schlimm genug ist. Nein, gefährdet ist auch die Nahversorgung in Innenstädten und Wohngebieten, die in Zeiten des Klimawandels doch immer wichtiger wird. Die Umwelt dankt es, wenn man zu Fuß zum Bäcker oder mit dem Rad zum nächstgelegenen Restaurant radeln kann, statt das Auto zu nehmen.
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Und last but not least: Unternehmertum entsteht im Kleinen. Wo es keine kleinen Gründungen gibt, wachsen auch keine großen Unternehmen. Bereits in der Pandemie suchten laut Statistischem Bundesamt knapp drei Prozent weniger Menschen nach einer Geschäftsidee, aber mehr Menschen einen sicheren Job. Es ist schlecht für unsere Volkswirtschaft, wenn immer weniger Menschen Unternehmen gründen oder Unternehmern nachfolgen.
Jetzt, da Restaurants nur drei Tage pro Woche öffnen und Bäcker früher schließen, vergeht vielen Unternehmern nicht nur die Freude an der Selbstständigkeit. Sondern sie verlieren Geld und Altersvorsorge, wenn sie bei jedem Brötchen oder jedem Haarschnitt draufzahlen, weil sie als kleiner Marktteilnehmer die gestiegenen Kosten nicht weitergeben können.
Der Ruf nach neuen Staatshilfen ist wohlfeil. Es wäre aber schon viel erreicht, wenn die Kunden, also wir alle, mit mehr Verständnis für die Preisentwicklungen auf der anderen Seite der Ladentheke gesegnet wären. Wenn die gut verdienende Mittelschicht sich über zu hohe Brötchenpreise mokiert und dann künftig, nach der Pleite des Bäckers, wieder mit dem SUV in den Discounter fahren muss, dann läuft etwas falsch: für die Umwelt und die Nahversorgung.
Etwas mehr Solidarität mit Kleinstunternehmen könnte also zumindest für die Besserverdienenden auch damit anfangen, dass man die Preise zahlt, die Brötchen, Pizzen oder Haarschnitte gerade nun mal kosten.
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