Der US-Präsident will der amerikanischen Wirtschaft schnell auf die Beine helfen. Joe Biden riskiert dabei schädliche Nebenwirkungen und politische Rückschläge.
Joe Biden
Der neue US-Präsident setzt auf ein üppiges Corona-Hilfsprogramm – ein gewagter Schachzug.
Bild: dpa
Als Barack Obama nach der Finanzkrise im Februar 2009 ein rund 800 Milliarden Dollar schweres Konjunkturpaket auf den Weg brachte, war Joe Biden sein Vizepräsident. Heute sitzt der 78-Jährige selbst im Oval Office, und die Lehre, die er seither für eine Krise verinnerlich hat, ist: lieber zu groß als zu klein denken.
Zwölf Jahre später ringt der neue US-Präsident deshalb mit dem Kongress um eine Konjunkturhilfe, die mit 1,9 Billionen Dollar mehr als doppelt so groß ist. Das Paket soll Amerikas Wirtschaft vor den schlimmsten Auswirkungen der Pandemie schützen.
Biden hat aus den Erfahrungen mit der Finanzkrise durchaus die richtigen Lehren gezogen. Die USA werden mit ihrer aktiven, kreditfinanzierten Konjunkturpolitik auch international Zeichen setzen, die bis in die ideologischen Niederungen der deutschen Debatte über die Schuldenbremse reichen.
So richtig der Impuls ist, jetzt zu klotzen, so wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass in der Ökonomie wie im Leben die Regel gilt: Mit zu viel des Guten kann man auch Schaden anrichten. Für Bidens Konjunkturpaket gilt das sowohl ökonomisch als auch politisch.
Sogar linksliberalen Keynesianern wie dem ehemaligen US-Finanzminister Larry Summers wird angesichts der astronomischen Summen mulmig zumute: Zusammen mit den bislang bewilligten Konjunkturhilfen der Trump-Amtszeit würde Bidens 1,9-Billionen-Paket die staatliche Anschubhilfe auf rund 25 Prozent des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts bringen.
Zum Vergleich: Der direkte fiskalpolitische Impuls in Deutschland lag nach Berechnungen der Denkfabrik Bruegel Ende letzten Jahres bei etwa 8,3 Prozent. Zählt man allerdings die Garantien des Bundes hinzu, kommt man auf über 30 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Mark Zandi, Chefökonom der Ratingagentur Moody’s, schätzt, dass der „Output Gap“, also die Lücke zwischen der tatsächlichen und der potenziell möglichen Wirtschaftsleistung, in den USA im Moment zwischen vier und fünf Prozent liegt. Bidens Vorschlag hat ein Volumen, das doppelt so groß ist. Die Gefahr ist, dass der amerikanische Konjunkturmotor überhitzt und es zu steigenden Zinsen und Inflationsraten kommt.
Karikatur
Bislang haben viele Amerikaner die Finanzhilfen des Staates gespart, was angesichts des Lockdowns und der wirtschaftlichen Unsicherheit nicht verwunderlich ist. Die persönliche Sparquote, die langfristig im Durchschnitt in den USA bei unter zehn Prozent liegt, stieg zeitweise auf 33 Prozent.
Man muss jedoch damit rechnen, dass die US-Verbraucher mit fortschreitender Impfung auch ihre traditionelle Konsumfreude wieder ausleben werden. Der Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson erwartet nach dem Ende der Pandemie einen regelrechten Kaufrausch in Amerika.
So gefährlich Bidens Konjunkturpaket ökonomisch ist, so riskant ist es auch politisch. Der Widerstand gegen das staatliche Konjunkturfeuerwerk auf Pump bietet den zerstrittenen Republikanern die Chance, sich unter dem Banner konservativer Finanzpolitik wieder zu einen und neu zu formieren.
Dabei geht es durchaus nicht nur um den Streit über Defizite und Schulden. Für die Republikaner ist dies auch ein ideologischer Kampf gegen einen allzu mächtigen Staat, der schon einmal erst zur Gründung der Tea-Party-Bewegung und dann zu Trump geführt hat.
Biden könnte sein Finanzpaket im Senat zwar auch ohne republikanische Hilfe durchsetzen. Dazu müsste er auf einen Haushaltstrick („reconciliation“) zurückgreifen, damit beide Häuser die Konjunkturhilfen mit einfacher Mehrheit bewilligen können. Allerdings kann er diesen Trick nur einmal pro Haushaltsjahr anwenden. Verspielt er seinen Joker jetzt, könnte der ihm fehlen, wenn der US-Präsident nach dem Sommer sein 2,2 Billionen großes Investitionsprogramm zur ökologischen Erneuerung der amerikanischen Wirtschaft durchsetzen will.
Biden ist deshalb besser beraten, jetzt finanzielle Abstriche zu machen, als später mit seinem „Green Deal“ zu scheitern, der nicht nur das Markenzeichen der ersten zwei Jahre seiner Präsidentschaft sein soll, sondern die US-Wirtschaft nachhaltiger und produktiver machen würde.
Der US-Präsident ist ein gewiefter Taktiker. Sein Vorschlag von 1,9 Billionen Dollar ist deshalb eine Maximalforderung, die ihm viel Spielraum in den Verhandlungen mit dem Kongress gibt. Umgekehrt markiert der Vorschlag von zehn republikanischen Senatoren, das Konjunkturpaket auf 600 Milliarden Dollar zu straffen, die Untergrenze für die Verhandlungen.
Wichtiger als die Summe ist ohnehin, wofür das Geld am Ende wirklich ausgegeben wird. Ja, es geht darum, einen „Krieg“ gegen das Virus zu gewinnen. Wenn also Menschen in Not sind, sollte die Regierung deshalb klotzen und nicht kleckern. Das bedeutet aber nicht, dass alle schädlichen Nebenwirkungen der Konjunkturpolitik ignoriert werden können.
Wenn Biden und die Republikaner sich am Ende auf ein Volumen von gut einer Billion Dollar einigen, wäre sowohl der Konjunktur als auch dem langfristigen Wachstum der US-Wirtschaft gedient.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×