ING Deutschland prescht vor, der Rest der Branche zaudert und zögert. Dabei wäre das Ende der Strafzinsen ein wichtiges Signal in Zeiten von Inflation und Krieg.
Europäische Zentralbank
Die Onlinebank ING prescht vor und hebt zum 1. Juli die Freibeträge für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten an.
Bild: dpa
„Ein Bankier ist ein Mensch, der seinen Schirm verleiht, wenn die Sonne scheint, und ihn sofort zurückhaben will, wenn es zu regnen beginnt.“ Das Bonmot von Mark Twain ist nicht ganz fair – und doch trifft es einen Punkt.
ING Deutschland streicht als erste große Privatkundenbank fast für ihre gesamte Klientel die Minuszinsen. Der Rest der Branche zaudert und zögert. Erst wenn die Europäische Zentralbank ihren negativen Einlagenzins zurücknimmt, dann will man sich bewegen.
Warum eigentlich? Keine andere Branche setzt in ihrer Werbung so auf die Kundenzufriedenheit. „Ihre Sorgen möchten wir haben“, „Wir sind die deutsche Bank an Ihrer Seite“. Jeder von uns kennt die Slogans der Institute.
Dabei hat der Kundenservice in den letzten Jahren schwer nachgelassen. Von 2004 bis 2019 sank die Zahl der Bankfilialen von 47.835 auf 28.384. Das heißt: Mehr als vier von zehn Anlaufstellen sind binnen 15 Jahren weggefallen. Das bedeutet zwangsläufig weniger Service.
Die Zahlen wirken erst mal abstrakt. Jeder kann aber mal versuchen, einen 500-Euro-Schein bei einer Bank etwa in Berlin wechseln zu lassen. Da wird einem schon mal in einer großen Filiale beschieden, man hätte keinen Tresor und damit auch kein Bargeld mehr.
Eine Bank ohne Geld ist wie ein Metzger ohne Schnitzel, wie eine Mauer ohne Mörtel. Wenn dann auch noch versucht wird, einer 82-jährigen Frau einen Bausparvertrag anzudrehen, dann fragt man sich, ob die Banken wirklich an der Seite ihrer Kunden stehen. Das sind sicher alles Einzelfälle, aber so mancher dürfte Ähnliches in Sachen Kundenzufriedenheit erlebt haben.
Der sofortige Wegfall der Minuszinsen wäre aber auch ein wichtiges finanzpolitisches Signal in diesen unruhigen Zeiten von Inflation und Krieg. Das Bankensystem ist der Blutkreislauf der Volkswirtschaft.
Deshalb steckt auch so eine Wucht dahinter, wenn ING Deutschland die Strafzinsen abschafft – selbst wenn man kein Kunde dieses Instituts ist. Von dieser Entscheidung geht die Botschaft aus, dass sich die Geldpolitik bald wieder in geordneteren Bahnen bewegt.
>>> Lesen Sie hier: ING verabschiedet sich als erste große Privatkundenbank von Negativzinsen
Sicher wäre die Abschaffung der Minuszinsen auf Kontoguthaben erst mal teuer für die Banken. Trotzdem sollten sich der Präsident des Bankenverbandes und Deutsche-Bank-Chef, Christian Sewing, und auch die ganze Branche an das Versprechen von Angela Merkel und Peer Steinbrück in der Finanzkrise 2008 erinnern.
Kanzler und Finanzminister garantierten damals die Spareinlagen. Das hat die Banken gestützt. Gezahlt hätten es die Steuerzahler. Jetzt wäre es an der Zeit, sich zu revanchieren.
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