Der SPD-Kanzlerkandidat will durch gutes Regieren mehr Vertrauen gewinnen als die Kanzlerin. Doch Olaf Scholz wird einen verbalen Klimmzug nach dem anderen hinlegen müssen.
Designierter Kanzlerkandidat Olaf Scholz
Sollte Scholz die Linke mit seinem realpolitischen Kurs versöhnen, wäre das schon ein Erfolg an sich.
Bild: Burkhardt Mohr
Die SPD-Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz ist für die Wirtschaft eine gute Nachricht. Für sie hätte es viel schlimmer kommen können – man denke nur an den Jungsozialisten Kevin Kühnert, der alle möglichen Unternehmen vergesellschaften will. Auch die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans stehen für einen strammen Linkskurs der Partei. Der Bundesfinanzminister hat dagegen die Hamburger Schule durchlaufen.
In der Hansestadt gibt es noch genug Sozialdemokraten, die wissen: Was verteilt werden soll, muss erst erwirtschaftet werden. Im Norden der Republik gilt die klassische Arbeitsteilung: Die Kaufleute werden in Ruhe gelassen und füllen mit den Arbeitnehmern die Kasse, um das Soziale kümmert sich die SPD. Ein Ansatz, den Helmut Schmidt und Peer Steinbrück ebenfalls verfolgt haben – mit unterschiedlichem Erfolg. Helmut Schmidt wurde Kanzler, Peer Steinbrück nur Kandidat.
Willy Brandt, Helmut Schmidt, Gerhard Schröder: Die drei SPD-Kanzler standen auch immer für ihre Zeit. Der Slogan von Willy Brandt lautete „Mehr Demokratie wagen“. Er verkörperte den sozialliberalen Aufbruch im Land. Helmut Schmidt gefiel sich in der Rolle des Weltökonomen, und Gerhard Schröder war zunächst der „Genosse der Bosse“ und dann einer der größten Wirtschaftsreformer Deutschlands.
Noch fehlt zu Scholz die Überschrift. Steinbrück bewegte sich auf den Spuren von Schmidt. Scholz sieht sich bislang auf den Spuren von Scholz. Er selbst meint, er sei die bessere Angela Merkel.
Sein Kalkül ist, dass sich die Union in den Diadochenkämpfen um die Kanzlerkandidatur aufreibt. In der Zwischenzeit will er durch gutes Regierungshandeln weiterhin zeigen, dass die Menschen ihm vertrauen können. Nur eben etwas mehr als der Bundeskanzlerin. Das ist jedoch eine Rechnung mit vielen Unbekannten.
Peer Steinbrück wollte im Wahlkampf immer Beinfreiheit, aber die Partei verpasste ihm ein linkes Programm, das nicht zu ihm passte. Nun hat Olaf Scholz schon einige linke Positionen übernommen, etwa zwölf Euro Mindestlohn oder die Rentengarantie. Damit muss es dann aber auch genug sein. Er hat sich in der Bevölkerung gerade einen guten Ruf als Krisenmanager erarbeitet und rangiert trotz des Finanzskandals um Wirecard immer noch unter den Top fünf der beliebtesten Politiker.
Andererseits trauen ihm viele Wähler die Kanzlerschaft nicht zu. Da würden ein paar Schritte nach links auch nicht helfen.
Wohin soll er aber die SPD ziehen? Kühnert, Borjans und Esken blinken links. Scholz versucht, in der Mitte zu punkten. Esken ließ jetzt durchscheinen, dass sie auch eine oder einen Grünen durchaus ins Kanzleramt wählen würde. Ihr ist am wichtigsten, ein rot-rot-grünes Bündnis zu schmieden. Der Kanzlerkandidat schickt sich an, bei der Union zu wildern, und will frühere Wähler, die wegen des Linkskurses in die Wahlabstinenz gegangen sind, zurückgewinnen.
Die SPD-Wählerschaft darf sich also auf einen Vizekanzler einstellen, der einen verbalen Klimmzug nach dem anderen hinlegen muss, um die drei an der Parteispitze zu befrieden, und sich dabei selbst noch ernst nehmen kann. Vielleicht gelingt der Spagat. Sollte Scholz die Linke mit seinem realpolitischen Kurs versöhnen, wäre das schon ein Erfolg an sich. Das Leiden der SPD an sich selbst und damit die eigene Selbstverzwergung hätte ein Ende.
Lange Zeit hat Olaf Scholz die schwarze Null verteidigt. Das war in Corona-Zeiten nicht mehr möglich. Jetzt wird er den früheren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als Rekordschuldenmacher ablösen. Ob das ökonomisch sinnvoll war, wird sich erst viel später zeigen.
Es war hoffentlich richtig, dass Scholz zu martialischen Worten wie „Bazooka“ und „Wumms“ griff. Wirtschaft ist immer zu 50 Prozent Psychologie, doch Scholz muss wie ganz Deutschland auf einen V-förmigen Verlauf der Konjunktur hoffen. Sollte im Wahljahr 2021 eine Insolvenzwelle durch das Land rollen und es Massenarbeitslosigkeit geben, wird es für Olaf Scholz verdammt schwer.
Kanzlerin Merkel steht nicht zur Wahl. Die Union kann einen frischen Kandidaten präsentieren, heißt er nun Armin Laschet, Markus Söder oder Friedrich Merz. Derzeit steht die SPD geschlossen da wie lange nicht. Die Zeiten, in denen Saskia Esken Scholz vorwarf, kein standhafter Sozialdemokrat zu sein, sind vorbei. Heute twittert sie: „Olaf hat den Kanzler-Wumms.“
Der oberste Scholz-Verhinderer Kevin Kühnert scheint sich eher um seine eigenen Karrierepläne zu kümmern, als Scholz ein zweites Mal zu Fall bringen zu wollen. Für die SPD war es eigentlich immer eine Selbstverständlichkeit, einen Kanzlerkandidaten mit reellen Chancen auf den Wahlsieg zu stellen. Diese Selbstverständlichkeit ist ins Wanken geraten. In manchen Ländern gibt man sich vor der Wahl bereits mit dem Platz als Juniorpartner zufrieden, Borjans und Esken haben solches auch schon öffentlich laut gedacht.
Nur Scholz glaubt an sich und seine Chance. Das ist schon mal der erste Schritt, den ein Kanzler braucht. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm ohnehin nicht. Anders als dem ewigen Zweifler Sigmar Gabriel, der nie antrat. Gerhard Schröder rüttelte einst am Zaun des Kanzleramts. Das entspricht nicht dem Naturell von Scholz, aber ehrgeizig ist der Hamburger. Damit ist der erste Schritt gemacht.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×