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31.01.2022

10:47

Kommentar

Sieg des Sparkommissars in Portugal: Auch mit rigider Finanzpolitik kann man Wahlen gewinnen

Von: Sandra Louven

Der Sozialist António Costa holt die absolute Mehrheit in der vorgezogenen Parlamentswahl. Jetzt muss er grundlegende Reformen liefern.

Vor allem die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung verhalf dem Premier zur absoluten Mehrheit. ddp/abaca press

António Costa

Vor allem die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung verhalf dem Premier zur absoluten Mehrheit.

Es ist ein erstaunlicher Sieg, den der alte und neue Premier António Costa bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal errungen hat: In Zeiten zunehmender Fragmentierung der Parlamente überall in Europa hat sich der Sozialist eine absolute Mehrheit gesichert.

Und das, obwohl er in den vergangenen Jahren als Südeuropas oberster Sparkommissar agiert und seine Politik unter die Prämisse ausgeglichener Haushalte gestellt hatte. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit in Europa – der Trend geht klar in die andere Richtung.

Seine linksradikalen Partner hatten am Ende genug von seinem Sparkurs: Sie versagten ihm im vergangenen Jahr die Zustimmung zum Haushalt und machten die Neuwahlen nötig. Die Portugiesen haben die Linksradikalen nun dafür abgestraft. Mit Costas starkem Wahlsieg ist das wichtigste Ziel der Neuwahl nun erfüllt worden: politische Stabilität zu schaffen.

Das Wahlergebnis zeigt, dass man auch mit einer rigiden Finanzpolitik Wahlen gewinnen kann. Costa senkte unter anderem die Einkommensteuer für niedrige Gehälter. Gleichzeitig erhöhte der Premier aber indirekte Steuern, etwa auf Benzin oder zuckerhaltige Getränke. Die Folge: Schulden und Haushaltsdefizit sanken – nicht zuletzt, weil auch die Weltkonjunktur anzog.

Im Wahlkampf hat Costa nun versprochen, das Mindesteinkommen anzuheben, für bezahlbare Wohnungen zu sorgen und in das Gesundheitssystem zu investieren. Doch als Programm für die kommenden vier Jahre werden diese Maßnahmen nicht reichen.

Portugals Wertschöpfung muss steigen

Er muss die absolute Mehrheit nutzen, um langfristige Reformen anzupacken, die er bislang vernachlässigt hat. Der konservative Oppositionschef Rui Rio wies im Wahlkampf zu Recht darauf hin, dass osteuropäische Staaten wie Litauen oder Estland Portugal beim kaufkraftgewichteten Pro-Kopf-Einkommen mittlerweile überholt haben. Vor der Pandemie lag es in Portugal bei 79 Prozent des EU-Durchschnitts – zehn Jahre zuvor waren es noch 83 Prozent gewesen.

Die niedrigen Gehälter führen dazu, dass gut ausgebildete Portugiesen sich einen Job im Ausland suchen. Costa muss nun unter anderem dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in Portugals Wirtschaft steigt und mit ihr Gehälter und Wachstum.
Der Moment ist so günstig wie nie: Neben seiner Mehrheit im Parlament kann er auch über 14 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds verfügen. Der ist just dafür ausgelegt, nach der Pandemie Strukturreformen anzustoßen, um die Wirtschaft auf eine neue Ebene zu heben. Costa muss nun liefern.

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