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18.01.2023

15:53

Kommentar

Wo die Energiemanager irren

Von: Kathrin Witsch

Auf dem diesjährigen Handelsblatt Energie-Gipfel forderte die Branche weniger Eingriffe in den freien Markt. Dabei war der Energiemarkt nie frei. Und wird es auch nie sein.

Die Branche war sich einig: weniger Eingriffe in den Energiemarkt. Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Handelsblatt Energie-Gipfel 2023

Die Branche war sich einig: weniger Eingriffe in den Energiemarkt.

Berlin Der freie Markt im Bereich Energie war schon immer eine Illusion. Da erscheint es fast etwas vermessen, wenn ausgerechnet Vertreter jener Branche auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel nach weniger Einmischung vom Staat rufen, die gerade erst von spektakulären Rettungsaktionen der Regierung profitiert haben. 

Sicher, in keinem Jahr gab es so viele Eingriffe vonseiten der Politik wie 2022: Unternehmen wurden verstaatlicht, die Gasumlage kam und ging, wurde von der Strom- und Gaspreisbremse abgelöst, nicht zu vergessen die Abschöpfung der sogenannten Übergewinne und die Solidaritätsabgabe auf die Einnahmen von Öl und Gaskonzernen. Diese Maßnahmen sind zeitlich begrenzt und waren eine Reaktion auf Krieg, Krise und Inflation. 

Jetzt appelliert die Branche an die Bundesregierung, das dürfe nicht zur Gewohnheit werden. Dabei gibt es neben der Pharmaindustrie keinen anderen Markt, der von jeher so massiven Regulierungen unterworfen ist wie der Energiemarkt. 

Seit der „Liberalisierung“ Ende der 90er bereits lebt die Energiewelt in dieser Illusion eines freien Marktes. Wo es vorher klar abgegrenzte Marktgebiete und staatlich festgelegte Preise gab, sollten die Unternehmen in den freien Wettbewerb einsteigen und so auch für günstigere Energiepreise sorgen. Das hat allenfalls halb funktioniert.

Echte Preise gibt es in der Energiewirtschaft nämlich nicht. Auf der einen Seite bestimmen staatliche Abgaben, Umlagen und Steuern den Preis pro Kilowattstunde. Auf der anderen Seite subventioniert die Politik Wind, Solar, Kohle und Atomkraft seit jeher. 

Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind Milliarden über Milliarden in die Förderung von Wind und Solar geflossen, die Kohlekraft wurde noch nie mit einem realistischen CO2-Preis belegt, weshalb auch hier nicht von einem realen Preis gesprochen werden kann, und bei der Atomkraft übernimmt der Staat die kostspielige Endlagerung des radioaktiven Abfalls. Auch der Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft wird ohne staatliche Hilfen nicht auskommen. Etliche Milliarden Euro sind dafür schon reserviert.

Und auch das ist wahr: Ohne staatliche Eingriffe wäre das Krisenjahr 2022 in einer Katastrophe geendet – und zwar mit einem bankrotten Gaslieferanten Uniper. Jetzt kommt es auf das richtige Maß an. Das ist richtig. 

Es ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, wenn die Branche sich gegen staatliche Eingriffe wehrt. Man kann aber nicht auf der einen Seite immer die Hand aufhalten und in der Krise nach staatlicher Hilfe rufen und dann, wenn sich die Lage wieder beruhigt, von Markteingriffen auf einmal nichts mehr wissen wollen. Die Energiewirtschaft ist so systemrelevant, dass sie niemals wie der Markt für Brot oder Bananen funktionieren wird. Mit dieser Realität muss sich die Branche abfinden. 

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