Der Haushaltsstreit zwischen dem Finanzminister und seinen Kabinettskollegen zieht sich hin. Zu Recht? Darüber debattiert die Handelsblatt-Leserschaft.
Christian Lindner
Der Finanzminister wehrt sich gegen die Ausgabenwünsche seiner Kabinettskollegen, weil er die Schuldenbremse einhalten will.
Bild: dpa
Düsseldorf Eigentlich wollte Finanzminister Christian Lindner diese Woche die Etatpläne für den Haushalt 2024 dem Kabinett präsentieren. Doch der FDP-Chef und seine Kabinettskollegen werden sich bislang nicht über die Ausgaben einig. Daher haben wir die Handelsblatt-Leserschaft gefragt, ob es richtig ist, dass der Finanzminister auf die Einhaltung der Schuldenbremse pocht, und wo sie den Rotstift ansetzen würden.
Die Mehrheit der Zuschriften plädiert dabei für das Einhalten der Schuldenbremse. So weist ein Leser darauf hin, dass diese schließlich auch in der Verfassung stehe. Vielmehr sollten die gewucherten Ausgaben geröntgt werden, „gerade für künftige Generationen“. Denen könnte Deutschland nicht in einem „noch höheren Maße“ Schulden zumuten, findet ein anderer Leser. Vielmehr sollten die Steuereinnahmen verantwortungsvoll umgeschichtet werden, meint ein anderer.
Viele Leser sehen vor allem im Bürokratieabbau Einsparpotenzial. So schreibt ein Leser: „Deutschland krankt an Bürokratie, nicht an fehlenden Mitteln.“ Jedes agile Unternehmen baue Personal auf und, wenn nötig, auch wieder ab. Von verschlankten Strukturen könne in der öffentlichen Verwaltung jedoch keine Rede sein. Ein anderer Leser schlägt vor, dass alle drei Jahre 15 Prozent der unnötigsten Gesetze und Verordnungen gestrichen werden sollten.
Dagegen gibt es jedoch auch ein paar wenige Zuschriften, die finden, dass neue Schulden „nicht per se schlecht“ sind. So schreibt ein Leser: „Als Teil der jüngeren Generation erwarte ich, dass sich unser Finanzminister von seiner Ideologie löst und Investitionen in eine lebenswerte Zukunft tätigt!“ Genauer würde er für Investitionen in Bildung, nachhaltige Energiequellen und eine intakte Infrastruktur plädieren.
Aus den Zuschriften der Handelsblatt-Leserschaft haben wir eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
„‚Umschichtung‘ erscheint mir das passende Wort zu sein, um die aktuellen und zukünftigen Probleme in Deutschland in den Griff zu bekommen. Die Ressortetats sind in den letzten Jahrzehnten ausgeufert und müssten eigentlich gekürzt werden, aber bedingt durch falsche Politik während dieser Zeit sollte die Schuldenbremse auf keinen Fall infrage gestellt werden, sondern die Lösung liegt in verantwortungsvoller Umschichtung der enormen Steuereinnahmen. Tipps geben zum Beispiel der Bund der Steuerzahler etc.“
Richard Thomsen
„Ich plädiere nicht für Steuererhöhungen, sondern für eine Abschaffung unnötiger Subventionen, und alles vor dem Hintergrund, dass die Einhaltung der Schuldenbremse nachhaltig gewährleistet werden kann. Zusätzlich müsste die Bürokratie abgebaut und die Verteilung der Gelder neu bewertet werden.“
Walther Sander
„Meine Meinung: Steuererhöhungen sind immer am einfachsten und grundsätzlich abzulehnen. Ziel muss vielmehr sein, die Dinge mal sehr grundsätzlich anzugehen. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass unser Einkommensteuerrecht von Grund auf ‚modernisiert‘ und die Vielzahl an ‚Steuersparmöglichkeiten‘ drastisch reduziert wird. Ein einfacheres und damit auch gerechteres Einkommensteuerrecht führt dann auch zu dem immer wieder beschworenen Bürokratieabbau. Gleiches gilt für das Unternehmensteuerrecht.
Erinnern Sie sich auch an die 20er-Jahre des letzten Jahrtausends: Damals wurde rund ein Drittel der Beschäftigten in den öffentlichen Verwaltungen (Beamte/Angestellte/Arbeiter) entlassen und siehe da: Der Staat hat trotzdem funktioniert. So weit muss man nicht gehen. Aber nachdenklich sollte uns das schon machen: Jedes agile Unternehmen baut Personal auf und gegebenenfalls auch ab, verschlankt Strukturen etc. Nicht im Ansatz kann man das für öffentliche Verwaltungen behaupten. Auch hier beginnt Bürokratieabbau und setzt Ressourcen frei! Ist nicht bequem, aber zielführend.
Fakt ist aber leider auch: Noch geht es uns viel zu gut, als dass solche Überlegungen auch nur den Hauch einer Realisierungschance haben.“
Walter Ege
„Herr Lindner hat recht, und es ist erfreulich, wie er sich für Stabilität einsetzt, auch in Brüssel. Leider bin ich nicht ausreichend informiert, um vorzuschlagen, in welchem Bereich der Rotstift angesetzt werden könnte. Aber auf keinen Fall bei der Bundeswehr und auch nicht bei der Infrastruktur und der Digitalisierung, um den Wirtschaftsstandort Deutschland konkurrenzfähig zu erhalten. Gut, dass es noch Politiker wie Herrn Lindner gibt.“
Helmut Dreher
>> Lesen Sie dazu: Eklat um den Etat – Habeck und Lindner geraten heftig aneinander
„Die größte Herausforderung und Bedrohung zugleich ist der Klimawandel. Deutschland lebt als Autonation und Transitland intensiv von Mobilität. Die Verkehrsminister mehrerer vergangener Regierungen haben underperformed – aktualisiert unter den oben genannten Kriterien fehlen einem die Worte.
Eine Schuldenbremse sollte erst zweitrangig als ‚Vision‘ oder Kondition aktueller Politik gelten. Fragen Sie die Generation von morgen!“
Brigitte Schuler
„Die Schuldenbremse ist unbedingt einzuhalten, denn die Zinsen steigen, was den Haushalt weiter belastet, und voran sind die Schulden von zukünftigen Generationen zu bezahlen. Und das kann man diesen nicht in noch höherem Maße zumuten.
Bevor man Steuererhöhungen ins Auge fasst, müssen zuerst sämtliche Einsparpotenziale ausgelotet und voran auch ausgenutzt werden. Außerdem müssen die Einnahmen sinnvoll ausgegeben werden. Und auch der Staat muss sorgsam mit dem ihm zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel umgehen und nicht nur Wünsche erfüllen und Förderprogramme auflegen, die dann häufig auch nur begrenzt zur Verfügung stehen und oft so kompliziert sind, dass nicht die eigentlich ‚Bedürftigen‘ profitieren.
Es geht nicht nur um Wählerstimmen bei der nächsten Wahl, sondern um einen effektiven Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel. Bei gleichartigem Verhalten der Privathaushalte, würden die Insolvenzen enorm ansteigen.“
Wolfgang Guter
„In dieser Phase der wirtschaftlichen Stabilisierung benötigen wir eine deutliche breite Konsumentennachfrage. Die wird gesichert über eine Verlagerung der Nachfrage in mittlere und kleine Einkommen, bei denen durch Steuererleichterungen ausgelöste Zuwächse – finanziert durch höhere Steuern der höheren Einkommen – überproportionale Nachfragezuwächse erfolgen.“
Tammo Hinrichs
„Es braucht weder Rotstift noch Steuererhöhungen. Die Schwarzmalerei und ideologiegetriebene Emotionalisierung der Debatte um Schuldenaufnahme hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass Deutschland kaputtgespart wurde, in Schulen der Putz von den Wänden bröckelt, die Bahn mit 35-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu spät kommt und jedes fünfte Kind hier in Armut leben muss.
Deutschland hat kein Finanzierungsproblem, das beweisen die Bundeswehrmilliarden. Neue Schulden sind nicht per se schlecht, und die politische Debatte sollte deshalb nicht darüber geführt werden, ob, sondern wofür wir sie machen. Schulden kommen auch nicht allein, sondern schaffen immer Vermögen und gesellschaftlichen Wohlstand.
Als Teil der jüngeren Generation erwarte ich, dass sich unser Finanzminister von seiner Ideologie löst und Investitionen in eine lebenswerte Zukunft tätigt! Was uns wichtig ist, sind eine gute Bildung, nachhaltige Energiequellen und eine intakte Infrastruktur und nicht irgendein kryptischer Schuldenberg, den wir sowieso nicht abbauen werden. Denn wann wurde in der Geschichte der Bundesrepublik jemals eine Steuer erhöht, um in der Vergangenheit aufgenommene Schulden zurückzuzahlen?“
Tobias Welck
„Wenn ich das richtig sehe, gibt es Subventionen in Milliardenhöhe, die gekürzt oder gestrichen werden könnten. Es kommt eben immer darauf an, Prioritäten zu setzen.
Allerdings ist zuzugeben, dass unterschiedliche Parteien beziehungsweise Menschen unterschiedliche Prioritäten setzen.“
Klaus Harke
>> Lesen Sie dazu: Wie die Ampel etwa 79 Milliarden Euro einsparen könnte
„Abgesehen davon, dass die Schuldenbremse in der Verfassung steht, ist es auch Verpflichtung, die in vielen Bereichen gewucherten Ausgaben streng zu röntgen und dann zu sparen, gerade für künftige Generationen.
Es gibt Unmengen unsinniger Steuervergünstigungen, die gestrichen beziehungsweise geändert werden können. Egal ob die fehlende Kerosinsteuer oder die unnötige Mehrwertsteuervergünstigung für Tierfutter, alle Bereiche gehören gescannt.
Wenn man dann den viel zitierten Bürokratieabbau endlich umsetzen würde und etwa alle drei Jahre 15 Prozent der unnötigsten Gesetze und Verordnungen, wie Bauvorschriften, die zusätzlich in jedem Bundesland unterschiedlich sind, ersatzlos streichen würde, wäre viel Geld gespart und für andere Investitionen frei. Und ja, auch im sozialen Bereich gehört gespart. Etwa die Fehlbelegung von Sozialwohnungen muss viel teurer werden, um diesen Wohnraum für die wirklich Bedürftigen frei zu machen.
Deutschland krankt an Bürokratie, nicht an fehlenden Mitteln.“
Thomas E. Schüller
„Unser Staat ist ein ineffizientes Geldvernichtungsmonster. Die aktuelle Regierung wirft mit Geld in Form von Hilfen, Sozialleistungen und Subventionen um sich. Der Staat muss damit aufhören, die Ausgaben unkontrolliert anschwellen zu lassen.
Die Regierung muss dringend im Bereich Verwaltung inklusive Kosten für die Bundes- und Landesregierungen sparen. Die nicht regulierten Beihilfen für alle möglichen Krisen müssen gestoppt werden. Die Ausgaben für Soziales und Renten müssen auf einen Maximalbetrag gedeckelt werden. Die Gelder, die eingenommen werden, müssen priorisiert in Projekte investiert werden, die Deutschland langfristig zukunftsfähig machen: Bildung, Verteidigung, Energiesicherheit, Infrastruktur …
Die Abgabelast für Steuern, Sozialabgaben und Energie sind heute das größte Hindernis, in Deutschland zu investieren und zu leben. Durch Steuererleichterungen, etwa bei Mieten im privaten Bereich, werden mehr Bürger Wohnungen zur Verfügung stellen, um das Wohnungsproblem zu lösen; durch Steuerentlastungen bei Energie werden die Energiepreise sinken. Dann sind keine Energiepreisbremsen notwendig. Höhere Steuern schädigen die Zukunftsfähigkeit Deutschlands langfristig und bewirken das Gegenteil von dem, was erreicht werden soll.“
Thomas Hüger
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Mehr: Bye, bye Verbrenner? Darüber debattierte die Handelsblatt-Leserschaft in der vergangenen Woche.
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