PremiumDie EU und die USA sind auf Konfrontationskurs, ist es Zeit für einen EU-Souveränitätsfond? Oder sendet die EU damit ein falsches Signal?
EU und USA Flaggen
Die USA subventioniert gerade stark. Sollte die EU die selbe Strategie fahren?
Bild: imago images/Future Image
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert einen gemeinschaftlich finanzierten „Souveränitätsfonds", um Investitionen in grüne Technologie zu subventionieren.
Das Projekt ist eine Reaktion auf den „Inflation Reduction Act“ (IRA) von US-Präsident Joe Biden, der Anfang 2023 in Kraft tritt. Der 370 Milliarden Dollar schwere Investitionsplan für saubere Energie bevorzugt amerikanische Firmen und droht die europäische Konkurrenz vom US-Markt auszuschließen.
Wäre Olaf Scholz nicht Bundeskanzler, sondern US-Präsident, wäre spätestens jetzt von der „Scholz-Doktrin“ die Rede. In der Fachzeitschrift „Foreign Affairs“, in der amerikanische Politiker ihre geostrategischen Konzepte darzulegen pflegen, wirbt Scholz für „eine starke und souveräne EU“ als Antwort auf die „globale Zeitenwende“: den Übergang zu einer multipolaren Welt. Das klingt floskelhaft, aber es umreißt eine komplexe Debatte.
Wenn die Europäer ihren Wohlstand und Einfluss verteidigen wollen, wird ein Sondervermögen für die Bundeswehr – Kern der deutschen „Zeitenwende“ – nicht reichen. Auch industriepolitische Nachrüstung ist nötig. Amerikaner und Chinesen konkurrieren darum, die Wertschöpfungsketten der Zukunft zu beherrschen, ob bei Mikroprozessoren, Solarmodulen oder Hochleistungsbatterien.
Gerade weil die EU primär Wirtschafts-, nicht Militärmacht ist, darf sie nicht zulassen, in diesen Bereichen abgehängt zu werden. Die EU-Kommission dringt daher auf eine industriepolitische Gegenoffensive, eine Forderung, der sich der Kanzler anschließen sollte.
Gerade weil die EU primär Wirtschafts-, nicht Militärmacht ist, darf sie nicht zulassen, in diesen Bereichen abgehängt zu werden.
Die Brüsseler Vorstellungen laufen darauf hinaus, mehr Subventionen in die Energiewende zu ermöglichen – finanziert über einen „Souveränitätsfonds“. Zwar wurde das EU-Beihilferecht angepasst, im Vergleich zu den USA und China setzt es aber starre Grenzen. Keine Frage: Subventionen sind ökonomisch problematisch, sie verzerren den Markt.
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In einer idealen Welt gäbe es sie nicht, da global vereinbarte Handelsgrundsätze einen fairen Wettbewerb garantierten. Nur ist die Welt, wie sie sich heute darstellt, eine andere. Amerika schüttet Milliardenhilfen für Greentech made in USA aus, die Chinesen päppeln Staatskonzerne, schotten ihre Märkte ab.
Wenn der Rest der Welt nicht fair spielt, haben die Europäer zwei Optionen. Sie können einen Handelskrieg vor den Schiedsgerichten der WTO austragen – ein mehr oder weniger nutzloses Unterfangen, da die Welthandelsorganisation kaum noch handlungsfähig ist. Oder sie können die industriepolitische Herausforderung annehmen. Zeitenwende bedeutet, Mut für Option zwei zu haben. Und ja, auch neue EU-Anleihen sind dafür erforderlich. Zu Recht merkt die Kommission das an.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen
Ursula von der Leyen plant als EU-Kommissionschefin bereits Subventionen für die EU.
Bild: dpa
Ein Souveränitätsfonds würde den Corona-Wiederaufbaufonds ergänzen und grüne Industrieprojekte auch in jenen Mitgliedstaaten finanzieren, die es sich sonst nicht leisten könnten. Die Pandemie war keine singuläre Krise. Russlands Krieg gegen die Ukraine und der globale grüne Wirtschaftsnationalismus stellen für Europa ebenso große Herausforderungen dar. Deshalb darf auch die politische Antwort der EU – gemeinsame Zukunftsgestaltung mit gemeinsamen Krediten – nicht einmalig sein.
Ursula von der Leyen ist immer zur Stelle, wenn es Großes zu verkünden gilt: Da ist der „Green Deal“, das „größte Programm aller Zeiten“, da ist der 725 Milliarden Euro schwere „Next Generation EU“-Fonds zur Bekämpfung der Pandemiefolgen. Und da ist die 300 Milliarden schwere „Global Gateway“-Initiative, mit der die Kommissionspräsidentin die chinesische Seidenstraßen-Initiative kontern will. Weder der Fantasie bei der Namensgebung noch den Volumina der Pakete sind Grenzen gesetzt.
Nun schlägt von der Leyen einen „Souveränitätsfonds“ vor, mit dem Europa sich gegen das protektionistische US-Subventionsprogramm mit dem verniedlichenden Titel „Inflation Reduction Act“ wehren soll. Unabhängig davon, dass auch dieser EU-Fonds aus gemeinschaftlichen Anleihen finanziert werden soll, was kontroverse Debatten über gemeinsame Schuldenhaftung auslösen wird: Dieser Fonds ist das falsche Signal zur falschen Zeit – zumal die Mittel des Next-Generation-Fonds noch gar nicht aufgebraucht sind.
Erstens: Der Fonds könnte am Ende genau das herbeiführen, was es auch im europäischen Interesse unbedingt zu verhindern gilt – einen selbstschädigenden und teuren Subventionswettlauf zwischen den transatlantischen Partnern, und das in einer Zeit, in der die Geschlossenheit des Westens wichtiger ist denn je. Vor allem aus Sicht Europas.
Schon der Name „Souveränitätsfonds“ wirkt, als wollte sich der geopolitische Zwerg EU selbst Mut machen.
Denn auf die epochalen Konflikte mit Russland und China sind die USA viel besser vorbereitet als Europa. Selten war die sicherheitspolitische Abhängigkeit von Amerika größer als jetzt. Schon der Name „Souveränitätsfonds“ wirkt, als wollte sich der geopolitische Zwerg EU selbst Mut machen.
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Zweitens: „Industriepolitik statt Handelskonflikt“, ruft Brüssel. Dass die Grenzen zwischen Subventionswettlauf und Handelskrieg fließend sind, wird verschwiegen. Ohne Zweifel steckt hinter dem neuen EU-Fonds eine protektionistische Agenda, eine „Europe first“-Politik also. Denn die Protektion ist sein Zweck. Bleibt nur noch abzuwarten, welche Konstruktion sich von der Leyen einfallen lässt, damit wie nach dem US-Vorbild vor allem europäische Unternehmen von den Subventionen profitieren.
Drittens: Selbst wenn man in den Subventionen eine legitime Reaktion auf die Diskriminierung europäischer Unternehmen durch die USA sieht, fest steht, dass Brüssel mit der gleichen Vorgehensweise Drittländer schädigen würde, die Europa gerade in diesen Zeiten dringend braucht. Ohnehin ist das Sündenregister der EU bei Subventionen lang – vor allem in der Landwirtschaft.
Anstatt mit gleichen Mitteln zurückzuschlagen, sollte die EU lieber auf Verhandlungen setzen. Notfalls bliebe immer noch der Weg über das handelsübliche Mittel: eine WTO-Klage. Es wäre ein Zeichen, dass wenigstens Europa den Glauben an eine multilaterale Handelsordnung noch nicht verloren hat.
Nicht die Subventionskapazität entscheidet am Ende über die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes, sondern ein Mix aus guten Rahmenbedingungen: Dazu gehört auch ein Minimum an Bürokratie. Hier wäre die Kreativität der Kommissionschefin gut investiert. „Souveränität“ bedeutet auch, bei Handelsfriktionen mal gelassen zu reagieren.
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