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20.10.2021

06:00

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

Klimaschutz oder Wachstum? Es ist ein alter Konflikt, der jetzt in China überdeutlich wird. Das unter Stromausfällen leidende Land baut wieder mehr Kohle ab, sichert sich möglichst viele Energierohstoffe auf dem Weltmarkt und fährt seine Kohlekraftwerke auf Vollbetrieb. Das ist einerseits schlecht fürs Weltklima, da China mehr als 25 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht, andererseits aber gut für das geschwächte Bruttoinlandsprodukt und die Zufriedenheit im Volk.

Solche Kalamitäten werden Thema beim Weltklimagipfel in Glasgow Ende Oktober. Bleibt es dabei, dass Peking von 2030 an die Emissionen zurückfährt und bis 2050 die CO2-Neutralität erreicht wird? Vor allen umweltpolitischen Ambitionen steht die Angst vor dem nächsten Blackout. Wir erinnern uns eines Spruchs von Peer Steinbrück: „Wenn jemand behauptet, er sehe Licht am Ende des Tunnels, dann kann es ihm passieren, dass es die Lichter des entgegenkommenden Zuges sind.“

In Washington rückte das FBI in die Villa des russischen Oligarchen Oleg Deripaska ein, eines engen Vertrauten von Staatspräsident Wladimir Putin. Die Zufahrt zu Deripaskas Haus wurde gesperrt mit dem Hinweis: „Crime scene, do not enter“ – „Tatort, nicht betreten“. Auch in New York wurde eine Immobilie durchsucht, die mit Deripaska in Verbindung steht.

Als Grund für die Razzien gelten die amerikanischen Sanktionen gegen den Putin-Intimus, die 2018 als Antwort auf russische Interventionen in den US-Wahlkampf 2016 verhängt worden waren. Deripaska werden Geldwäsche, Korruption und illegales Abhören vorgeworfen. Vergeblich versuchte er vor Gericht, ein Ende der Sanktionen zu erreichen. Deripaska erscheint durch und durch dubios, immerhin lieh er Paul Manafort zehn Millionen Dollar, einstiger Kampagnenchef von Donald Trump. Anders formuliert: Enter your email to sign up for the „Meanwhile in America”-Newsletter.

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Bonjour petitesse: Für einen Quasi-Monopolisten wie Google sind Miniaturwerte irgendetwas zwischen Scham, Schmerz und Schande. Da hat der US-Gigant zwar mit Android eines der beiden wichtigen Betriebssysteme für Smartphones am Start, doch bei den Geräten kommt er nur auf homöopathische 0,3 Prozent Marktanteil.

Nun setzt Hardware-Vorstand Rick Osterloh auf „Pixel 6“, das jüngste Handy aus eigener Produktion. Mit dem neuen Prozessor „Tensor“ soll es nach viereinhalb Jahren Entwicklungsarbeit raffinierte Anwendungen Künstlicher Intelligenz ins Telefon bringen, etwa für gestochen scharfe Fotos. Fehlt nur noch der Kundenerfolg. Googles Osterloh sagt Apples iPhone im Handelsblatt den Kampf an: „Wir werden das Pixel sehr viel aggressiver vermarkten.“

Noch ist nicht klar, ob und wie es zu einer Ampel-Koalition kommt. Wird zum Beispiel den Grünen der Verzicht aufs Finanzministerium mit einem Super-Klimaministerium sowie der Bundestagspräsidentschaft kompensiert? Wird das Mittelstands-Schreckgespenst Kevin Kühnert, der ab Freitag zum Thema Wohnen verhandelt, am Ende Minister?

Was die Sitzordnung im neuen Bundestag angeht, wollen SPD, Grüne und FDP jedenfalls in der Mitte zusammensitzen, links von ihnen Gregor Gysi & Co., rechts Union und AfD. Dumm nur, dass CDU und CSU partout nicht aus der Mitte weg und sich der Partei der Alice Weidel nähern wollen. CSU-Politiker Stefan Müller wettert, die Bundestags-Sitzordnung sei doch „kein Karussell, das nach Belieben herumgedreht werden sollte.“ Ja, aber manchmal ist Sitzen politisch. Die FDP hat den Umzugsantrag schon gestellt.

Bloomberg

Springer-Chef Mathias Döpfner will intern an einer besseren Unternehmenskultur arbeiten.

Gestern haben wir uns ausführlich mit der „vierten Gewalt“ – der Presse – beschäftigt. Und zwar mit dem Sturz des „Bild“-Chefredakteurs wegen Machtmissbrauchs, was zudem eine Geschichte seines Protektors ist, des Springer-Chefs Mathias Döpfner. Ein Leser regte an, wir hätten uns besser auch mit der dritten Gewalt beschäftigt, der Judikative. Tatsächlich ist gestern in allen Medien die Story allzu klein ausgefallen, wie das Bundesverfassungsgericht einen Befangenheitsantrag gegen seinen eigenen Präsidenten Stephan Harbarth abgebügelt hat.

Mit dem Ex-CDU-Bundestagsabgeordneten war nach langer Zeit wieder ein Berufspolitiker nach Karlsruhe gekommen. Da wirkte es schon etwas anrüchig, dass er mit anderen Verfassungsrichterinnen und -richtern im Juni ins Bundeskanzleramt zum Abendessen kam. Man plauderte mit Parteifreundin Angela Merkel und dem Kabinett über jene Corona-Politik, über die man urteilen muss. Zur Causa Befangenheit entschied Karlsruhe jetzt aber, das damals gewählte Dinner-Thema „Entscheidung unter Unsicherheiten“ sei ja vielfältig und abstrakt gewesen. Es kommentiert Wilhelm Busch: „Zur Tugend, wie man zu sagen pflegt / ist eigentlich keiner recht aufgelegt.“

dpa

Der Regionalairport Frankfurt-Hahn in Rheinland-Pfalz hat Insolvenz angemeldet.

Dass ein Flughafen im rheinland-pfälzischen Hunsrück, der mehr als 100 Kilometer vom Main entfernt ist, „Frankfurt-Hahn“ heißt, ist schon skurril genug. Jetzt erlebt der wundersame Airport bei den sieben Zwergen sogar eine doppelte Pleite. Der reichlich undurchsichtige Hauptgesellschafter aus China, der HNA-Konzern, ist am Ende und kann nicht mehr für Liquidität sorgen – und die Flughafengesellschaft selbst rutscht in die Insolvenz, weil pandemiebedingt weniger Ryanair-Flüge starteten.

Da half auch ein anziehendes Frachtgeschäft nicht. Das Land Hessen, mit 17,5 Prozent beteiligt, sowie Rheinland-Pfalz haben einen Klotz am Bein, schließlich sind Subventionen für „Frankfurt-Hahn“ neuerdings nicht mehr erlaubt.

Und dann sind da noch die „Löwen“ aus der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ – die jetzt einfach keine Geschäfte mit Start-ups machen, sondern lieber miteinander dealen. Also übernahm Ex-TV-Zampano Georg Kofler mit seiner börsennotierten, defizitären Social Chain AG für gar nicht schlappe 220 Millionen Euro das Handelsunternehmen „DS Produkte“ des Mit-Jurors Ralf Dümmel. Der eine hat Zugang zu Social-Media-Kanälen und „Influencern“, der andere bringt vertriebsfähige Produkte und Marken ein. Selfmademan Dümmel, den man „Mr. Regal“ nennt, formuliert im Rausch der Fusionsgefühle: „1 plus 1 ist dabei nicht 2, sondern 11.“
Für die nächste Bilanz wird er besser rechnen müssen, vielleicht so wie André Kostolany: „An der Börse sind 2 mal 2 niemals 4, sondern 5 minus 1. Man muss nur die Nerven haben, das minus 1 auszuhalten.“

Ich wünsche Ihnen einen nervenstarken Tag.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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