Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
gern ergötzt man sich in Deutschland an dem Vorurteil, beim Vereinigten Königreich handele es sich um wenig mehr als einen maroden Flugzeugträger mit alkoholisierten Eton-Schnöseln auf der Kommandobrücke und nationalistischen Hooligans im Maschinenraum.
Doch gestern haben uns die Briten einmal mehr gezeigt, was sie vor allem sind: Die vermutlich kosmopolitischste Nation Europas. Ein Land, in dem ein 42-jähriger Hindu, Sohn indisch-afrikanischer Einwanderer, konservativer Premierminister werden kann. Rishi Sunaks Ernennung durch König Charles am heutigen Dienstag ist nur noch Formsache.
In manch anderer Hinsicht entspricht Sunak durchaus dem Klischee des Tory-Premiers: Wie seine vier direkten Vorgängerinnen und Vorgänger hat er in Oxford studiert. Was Sie sonst noch über den Neuen in Downing Street 10 wissen sollten (zum Beispiel über seine Frau), hat unser London-Korrespondent Torsten Riecke zusammengetragen.
Meine Prognose: In Deutschland wird es noch viele Jahre dauern, bis der erste Mensch mit Migrationshintergrund Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler wird. Wenn Sie anhand eines konkreten Falls besser verstehen wollen, warum der soziale Aufstieg in Deutschland oft so steinig ist: Kirsten Ludowig hat darüber mit Natalya Nepomnyashcha ein eindringliches Podcast-Interview geführt. Die gebürtige Ukrainerin Nepomnyashcha wuchs mit Hartz IV auf, heute ist sie Beraterin bei EY.
Der geplante Verkauf von Teilen des Hamburger Hafens an den chinesischen Staatskonzern Cosco sorgt für Diskussionen auf Bundesebene.
Bild: IMAGO/Nikita
Kurz vor der Chinareise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) droht neuer Ärger in den deutsch-chinesischen Beziehungen: Es geht um den Umgang mit dem chinesischen IT-Konzern Huawei. Dessen Bauteile sind trotz aller Warnungen weiterhin integraler Bestandteil deutscher Mobilfunknetze. Das haben Recherchen des Handelsblatts ergeben.
Zwar haben die Netzbetreiber Telefónica und Vodafone bei ihren 5G-Kernnetzen auf Huawei-Komponenten verzichtet. Und die Deutsche Telekom nimmt die umstrittenen Teile derzeit aus ihrem Kernnetz heraus. Allerdings wird in den deutlich größeren Zugangsnetzen noch immer Huawei-Technik verwendet. Innenministerin Nancy Faeser will nun reagieren und verspricht im Handelsblatt, die kritische Infrastruktur besser zu schützen.
Ein anderes Stück kritische Infrastruktur dürfte demnächst stärker unter chinesische Kontrolle kommen: Die Bundesregierung hat sich am Montag im Streit um einen Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco beim Hamburger Hafen auf einen Kompromiss geeinigt. Laut Informationen des Handelsblatts sollen sich die Chinesen nicht wie geplant mit 35 Prozent, sondern nur mit 24,9 Prozent an einem Container-Terminal des Hafens beteiligen dürfen. Die Bundesregierung will so verhindern, dass der Staatskonzern eine Sperrminorität besitzt und Einfluss auf Entscheidungen der Betreibergesellschaft des Terminals ausüben kann. Als Erstes hatte die „Süddeutsche Zeitung“ darüber berichtet.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Peking braucht gewiss keine Mini-Beteiligung am kleinsten der Hamburger Containerterminals, um seinen Elbmachtstatus zu zementieren. Dazu reicht im Zweifel die Rolle als mit Abstand wichtigster Handelspartner. Im Hamburger Hafen stand Fracht von und nach China (inklusive Hongkong) im ersten Halbjahr 2022 für 29,5 Prozent des gesamten Containerumschlags. Die USA als zweitwichtigster Handelspartner sorgten für gerade mal 6,6 Prozent.
Typische Eigenart von politischen Langfriststrategien: Sie sind meist so langfristig angelegt, dass sich ihr Scheitern niemals klar nachweisen lässt – zumindest nicht während der Amtszeit des zuständigen Ministers oder der Ministerin. Die neue „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“ aus dem Hause von Bundesforschungs- und -bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) macht da in mancher Hinsicht eine erfreuliche Ausnahme: Der Entwurf, der dem Handelsblatt vorliegt, benennt ziemlich konkrete Ziele für die laufende Legislaturperiode.
Bis 2025 soll etwa eine Unternehmensgründung innerhalb von 24 Stunden möglich werden – im Jahr 2020 dauerte das nach Daten der Weltbank noch acht Tage. Und der Anteil der Akademiker, Techniker und Fachwirte unter den 30- bis 34-Jährigen in Deutschland soll von 50,5 auf 52,5 Prozent steigen.
In der Autoindustrie nennt man es Modellpflege: Chromleisten ersetzen schwarzes Plastik, das Navigationssystem bekommt eine bessere Benutzeroberfläche und der Motor mehr Durchzugskraft. In der Medienbranche heißt diese Art der Modellpflege „Rebrush“, und einem solchen haben wir die Printausgabe des Handelsblatts unterzogen. Falls Sie in den kommenden Tagen am Kiosk, in der Lufthansa-Lounge oder am besten natürlich am eigenen Briefkasten ein gedrucktes Handelsblatt in die Hände bekommen: Schauen Sie doch einmal, wie Ihnen die Veränderungen gefallen – und mailen Sie Ihre Meinung gerne an unseren Chefredakteur unter [email protected]. Er hat mir glaubwürdig versichert, dass er sich darauf freut, von Ihnen zu lesen.
Ich wünsche Ihnen ein Tag mit viel Chrom und wenig schwarzem Plastik.
Herzliche Grüße
Ihr
Christian Rickens
Textchef Handelsblatt
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