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11.03.2023

08:00

Sebastian Matthes

Morning Briefing Plus – Die Woche

Reisefieber in Brüssel und Berlin – Der Rückblick des Chefredakteurs

Von: Sebastian Matthes

PremiumDie europäischen Spitzenpolitiker verschlägt es bei ihren Reisen in die USA, den Kongo, nach Südamerika, Indien und Japan. Die Flugrouten zeigen das Bild einer neuen, gespaltenen Welt.

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

herzlich Willkommen zurück zu meinem Blick auf die wichtigsten Themen der vergangenen Woche: Und damit gleich nach Brüssel, wo das Reisefieber ausgebrochen ist. Vor wenigen Tagen war EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton im Kongo, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weilt in Washington und Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager fliegt nächste Woche nach Südamerika.

Ähnlich rege ist der Reisebetrieb in Berlin. Wirtschaftsminister Robert Habeck macht sich in den nächsten Tagen ebenfalls nach Südamerika auf. Und nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz eben noch in Indien war, fliegt er nächste Woche nach Japan. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Bundesregierung überhaupt mal so viel auf Reisen war.

Auf diesen Reisen geht es um viele Themen, doch die Flugrouten zeichnen auch das Bild einer neuen Welt – einer gespaltenen Welt: hier die befreundeten Demokratien, die ihre Verbindung intensivieren und dort die systemischen Rivalen. Dazwischen die vielen Unentschlossenen, die sich bislang für kein Lager entschieden haben. Auf diese Swing States konzentrieren sich die Bemühungen der Reisenden Europäer besonders.

Bloomberg/Getty Images

Bei 14 von 27 kritischen Rohstoffen liegt die Importquote bei 100 Prozent, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben hat.

Die EU präsentiert dafür deshalb in der kommenden Woche den Raw Materials Act, ein Gesetz, mit dem sie die Versorgung Europas mit kritischen Rohstoffen sicherstellen will, die aktuell zu großen Teilen derzeit noch aus China kommen. Mein Kollege Moritz Koch, der das Handelsblatt-Büro in Brüssel leitet, hatte alle Details diese Woche schon exklusiv vorab.

Deutlich wird: Die Versorgung mit kritischen Rohstoffen hat inzwischen eine ähnlich hohe Priorität wie die Landesverteidigung. Und die Rohstoffpartnerschaften, die da gerade entstehen, bilden sich entlang traditioneller militärischer Allianzen. Erste Experten fordern bereits eine „Rohstoff-Nato“.

Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt hat:

1. Es war die Technologie-Meldung der Woche, und die bestätigt einige Handelsblatt-Berichte aus den vergangenen Monaten: Die Bundesregierung plant, den Einsatz von chinesischer Technologie in deutschen Mobilfunknetzen deutlich einzuschränken. Die Telekom-Konzerne haben natürlich überhaupt keine Lust auf das Thema, denn nach aktuellem Stand müssen sie die bereits verbauten Komponenten der chinesischen Hersteller Huawei und ZTE nicht nur aus ihren Anlagen wieder ausbauen – sie sollen auch die Kosten dafür tragen.

Grafik

2. Es gibt Interviews, auf die wartet ein Journalist Monate. Mitunter sogar Jahre. Und dann plötzlich geht alles ganz schnell. So erlebte es mein Kollege Felix Holtermann gerade mit dem umstrittenen Tech-Investor Peter Thiel, der nicht nur Paypal mitgründete und sehr früh in Facebook investierte. Thiel unterstützte auch Ex-US-Präsident Donald Trump. Mein Kollege hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als plötzlich die Einladung nach Miami kam. Dort wurde Holtermann von Thiel auf Socken in seinem 18-Millionen-Dollar-Anwesen auf einer der künstlichen „Venetian Islands“ im Golf von Miami begrüßt, am Esstisch im Nebenzimmer spielten die Töchter des Milliardärs. Thiel, der als Sohn deutscher Einwanderer in die USA kam, begrüßte auf Deutsch – wechselte für den Rest des Interviews dann aber ins Englisch. In dem Gespräch ging es um das träge gewordene Silicon Valley, Deutschlands verwundbare Wirtschaft, seine höchst umstrittenen politischen Ansichten und Verbindungen, die revolutionäre Kraft der Künstlichen Intelligenz und ChatGPT, den Bot, der laut Thiel gerade Google in Panik versetze. Man muss seinen Thesen nicht folgen. Aber man sollte ihm zuhören. Deshalb haben wir dieses sehr aufschlussreiche Interview auch zum Titel unserer Wochenend-Ausgabe gemacht.

Peter Thiel im Interview

Peter Thiel: Der Tech-Investor gilt als Vordenker, ist wegen seines politischen Engagements aber auch umstritten.

3. Immer wenn man denkt, die Geschichte sei auserzählt, wird der Cum-Ex-Skandal um eine Absurdität reicher. Nun wird die Aufklärung des gigantischen Steuerskandals auch noch von einem beispiellosen Justizskandal erschüttert. Wie das Handelsblatt erfuhr, hat der ehemalige NRW-Justizminister Peter Biesenbach eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Behördenchef der Kölner Staatsanwaltschaft und seinen Stellvertreter gestellt. Wie es so weit kommen konnte, zeichnen unsere Cum-Ex-Profis Sönke Iwersen und Volker Votsmeier in einem fesselnden Report nach: Es geht um verschwendete Millionen, Versagen der Justiz – und eine mutige Staatsanwältin, die trotz allem an der Sache dranblieb.

4. Nun zu einem Thema, das erst einmal sperrig klingt, aber von umso größerer Bedeutung ist: Es geht um ein neues Instrument der Außenwirtschaftspolitik, das einen ungewollten Technologietransfer nach China eindämmen soll: Die „Outbound-Investitionskontrolle“. Dahinter steckt, Sie ahnen es, die Kontrolle von Investitionen europäischer Unternehmen im Ausland. Und natürlich geht es da vor allem um China. Die EU arbeitet an einem solchen Instrument, die Bundesregierung zeigt Sympathien – und schon am Wochenende könnten diese Investitionskontrollen auch Thema beim Besuch von der Leyens in Washington werden. Denn die Amerikaner verfolgen ganz ähnliche Pläne. Lesen Sie alle Details in diesem spannenden Report aus Berlin, Brüssel und Washington.

dpa

Ursula von der Leyen, Joe Biden: Bei dem Besuch der EU-Kommissionspräsidentin in Washington geht es auch um strategische Investitionen.

5. Es gibt nur wenige Menschen auf der Welt, die so kenntnisreich und fundiert über Technologietrends sprechen können, wie die Futurologin Amy Webb. Auf dem Technologiefestival „South by Southwest“ (SXSW) in Austin präsentiert sie jedes Jahr ihren Tech-Trends-Report, und wenn sie spricht, hören Tausende zu. Dieses Jahr spricht sie in meinem Podcast Handelsblatt Disrupt schon vorab über die fünf wichtigsten Trends des Jahres. Und sie erklärt, wie der Bot ChatGPT innerhalb der nächsten 24 Monate alle Bereiche der Wissensarbeit erfassen und wie er ein digitaler Co-Pilot des Alltags werden kann. Auf den freue ich mich übrigens ganz besonders.

6. Von wegen, Europa kann nicht groß denken: Mitten in der Nordsee sollen emissionsfreier Strom und grüner Wasserstoff entstehen. Auch Unternehmen wie Equinor, RWE, Gasunie oder Gascade arbeiten am Aufbau einer Wasserstoff-Netzinfrastruktur in der Nordsee. Mit einer Investition von rund 20 Milliarden Euro, das zeigen neueste Zahlen, ließe sich dort ein 4.200 Kilometer langes Wasserstoff-Netz aufbauen. Zusammen mit den entsprechenden Offshore-Windkraft-Kapazitäten ließen sich bis 2050 damit 450 Terrawattstunden Strom – mehr als ein Viertel des erwarteten Wasserstoffbedarfs Europas – decken. Nun müssen aus den Plänen nur noch Windräder werden. Damit hakt es ja mitunter in Europa.

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7. Olaf Scholz beschwört alte Zeiten. Dank Klima-Investitionen werde Deutschland so stark wachsen wie in den 1950er- und 1960er-Jahren, verspricht er. Klingt toll, aber ist das überhaupt möglich? Unser Berliner Büro ist der Frage zusammen mit Ökonomen nachgegangen. Heraus kam eine Analyse über Chancen, Risiken und realitätsferne Ideen.

8. Für die Finanzmärkte war es ein Schock: Der massive Kapitalbedarf des großen US-Start-Up-Finanzierers Silicon Valley Bank erschütterte weltweit die Märkte. Innerhalb von 24 Stunden verlor die Bank rund 80 Prozent ihres Börsenwerts – es war der größte Kursrutsch in der Geschichte der Bank. Das hatte Folgen für die ganze Branche: US-Banken erlebten den größten Kursrutsch seit drei Jahren. In Asien und Australien gerieten die Kurse am Freitag ebenfalls unter Druck. Unser Bankenteam geht deshalb der Frage nach, wie gefährlich der Crash für das Finanzsystem wirklich ist – und warum sich ausgerechnet Start-ups besonders große Sorgen machen müssen.

9. Es ist ein Zoff, der sich seit Jahren hinzieht: Forsa-Chef Manfred Güllner überzieht das junge Marktforschungsunternehmen Civey seit Jahren mit Gerichtsverfahren: Früher einmal ging es um die Marketingversprechen von Civey-Mitgründerin Janina Mütze, kürzlich sogar um Mützes Andeutung, Güllner sei schon in Rente – schon kam Post von Güllners Anwalt. Sollte sie das noch einmal behaupten, muss sie 10.000 Euro zahlen. Das zeigt: Wer nichts mehr in der Hand hat, aber trotzdem streiten will, nutzt selbst solche Petitessen. Ein solches Verhalten kenne ich ansonsten eigentlich nur von meinen Jungs. Die sind fünf und sieben Jahre alt. Güllner ist 81. Mein Kollege Michael Scheppe beschreibt den bizarren Streit.

Ihnen allen wünsche ich ein friedliches Wochenende.

Herzlichst
Ihr
Sebastian Matthes
Chefredakteur Handelsblatt

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